Leute
Für Spaß an der Bewegung
Große Augen, kurze Beine: Vier Jahre alt sind die Jüngsten, die zu Jana Lück-Pusch zum Tanztraining kommen. Es ist das Alter, in dem sie selbst mit dem Tanzen angefangen hat – der Beginn einer Leidenschaft, die sie bis heute fesselt.
In der Ballettschule „Tanzzeit“ gibt die Schwerinerin diese Leidenschaft an Kinder und Jugendliche weiter. Es geht um den Spaß an der Bewegung, die Gemeinsamkeit, die Kreativität des Ausdrucks. Während die Kleinen beim kreativen Kindertanz lernen, wie sich Gefühle in Körpersprache fassen lassen, kommen bei den Großen mehr und mehr Ballettelemente dazu. Einmal im Jahr stehen Große und Kleine dann gemeinsam auf der Bühne, im Mecklenburgischen Staatstheater.
Über dieses Haus ist Jana Lück-Pusch nach Schwerin gekommen. Die gebürtige Brandenburgerin studierte Tanz an der Palucca-Schule in Dresden, einer ihrer ersten Auftritte in Schwerin war in der Oper Aida auf dem Alten Garten. „Es war schön, hier hängenzubleiben“, sagt sie und erinnert sich besonders gern an die Choreographen-Abende im E-Werk. Tanz ist für Jana Lück-Pusch mehr als die Perfektion der gleichzeitig in die Höhe gereckten Beine: Sie liebt Improvisation und vor allem die Emotion, die das Spiel der Bewegungen vermittelt.
Deshalb setzt sie genau hier auch in der „Tanzzeit“ an. Jeder darf mitmachen: Es gibt kein zu dick oder zu dünn, zu groß oder zu klein. Anstelle von Vollkommenheit setzt sie auf Freude: „Natürlich kann ich wochenlang eine Bewegung perfektionieren. Aber das nimmt doch den Spaß.“ Möglicherweise, sagt sie, war früher alles ein bisschen anders, da gab es noch nicht so viele Tanzfilme. Jetzt sind die Erwartungen manchmal zu hoch – bei Kindern und Eltern. „Alle kleinen Mädchen träumen davon, Primaballerina zu werden.“
Alle Mädchen? Nun ja, sie sind wirklich in der Überzahl – unter den rund 150 Schülern sind nur zwei Jungen. An dieser Stelle wirkt zum Teil noch ein herkömmliches Rollenbild, ein bisschen Gehopse beim Tanz, das kann doch nicht so anstregend sein. „Ich habe es selbst erlebt, wie ein Vater am Rand des Fußballplatzes seinem Sohn zubrüllte: Wenn du jetzt nicht rennst, steck ich dich in einen Tutu und schick dich zum Ballett!“ Natürlich soll jeder den Sport machen, den er will, sagt Jana Lück-Pusch, ihre beiden Söhne waren auch beim Fußball. Aber festhalten möchte sie schon: Ballett ist körperlich anspruchsvoll und ohne eine gute Kondition geht gar nichts.
Hier profitieren ihre Schüler – neben dem Spaß – natürlich sehr von dem Training. Körperbeherrschung, Balance, Beweglichkeit, es ist alles dabei. „Nach der Corona-Zeit habe ich deutlich gemerkt, dass die Kinder schnell aus der Puste waren“, sagt Jana Lück-Pusch.
Apropos Kondition: Sie selbst tanzt bei den Jüngeren noch fast alles mit. Nachdem sie sich 2005 nach der Geburt ihres zweiten Kindes von der aktiven Bühnenlaufbahn verabschiedet hatte, freut sie sich, dass der Tanz dennoch Teil ihres Lebens geblieben ist.
Und das sogar in doppelter Hinsicht: Die 50-Jährige arbeitet auch als Tanz- und Bewegungstherapeutin in der Klinik. Gerade hatte sie den Vertrag für die berufsbegleitende Ausbildung unterschrieben, als das Angebot kam, die Ballettschule zu übernehmen. „Manchmal frage ich mich heute wirklich, wie ich das damals alles geschafft habe“, sagt sie. Zum großen Teil liegt es daran, dass sie in ihrer Arbeit aufgeht. „Ich komme jeden Abend erschöpft, aber mit einem guten Gefühl nach Hause.“
Ihre tanztherapeutische Arbeit sieht Jana Lück-Pusch als spannende Herausforderung – und als eine, die sich gut mit der Tanzschule ergänzt. „Menschen, die immer nur versuchen, zu funktionieren, in einer angepassten Rolle leben, immer Ja sagen, haben oft verlernt, sich selbst zu spüren. Die Bewegungsarbeit hilft ihnen dabei, sich wieder besser wahrzunehmen“, sagt die Schwerinerin, die das Sich-selbst-wahrnehmen auch bei den Kindern fördert: „Sie sollen ihre Persönlichkeit entwickeln und sie auch zeigen.“
Ein richtiger Marathon wird es, wenn einmal im Jahr die Bühne des Staatstheaters den Ballettschülern gehört. Das ganze Jahr arbeiten die Kinder und Jugendlichen mit Jana Lück-Pusch und einer weiteren Tanzlehrerin auf diesen Termin hin, diesmal ging es in 80 Tagen um die Welt. Die Vorbereitung erstreckt sich beileibe nicht nur aufs Tanzen: Die Tanzlehrerinnen erarbeiten das Libretto, suchen die Musik aus, nähen Kostüme. „Inzwischen habe ich einen großen Fundus“, sagt Jana Lück-Pusch und es helfen ja auch viele – von ihrem Mann, der sich um alles Technische kümmert, über die Eltern der Kinder bis zu ihrer eigenen Mutter, die schnell noch mal ein paar Flügelchen annäht. Was am Ende entsteht, ist mehr als eine Ballett-Aufführung: ein richtig tolles Wir-Gefühl.
Manchmal braucht natürlich auch ein Energiebündel wie Jana Lück-Pusch Zeit fürs Ich und deshalb liebt sie ihren Blumengarten, das Reisen und das Wandern. In Schwerin ist sie fast ausschließlich mit dem Fahrrad unterwegs. Inzwischen ist es ein E-Bike, dessen Elektromotor sie an- und ausschaltet: je nachdem, wie viel Power sie selbst an diesem Tag schon verbraucht hat.