12.12.2025

Leute

Im Einklang mit der Natur

Ute Behrendt-Huhn betreut die Tiere im Freilichtmuseum Mueß und versteht sich auf altes Handwerk
Ute Behrendt-Huhn mit Schaf Ella. Das „Flaschenkind“ ist besonders zutraulich. Schlabbi dahinter traut sich in Anwesenheit einer Fremden nicht ganz aus der Deckung.
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Elli lässt nicht lange auf sich warten. Sobald Ute Behrendt-Huhn auf der Weide steht, setzt sich das Guteschaf in Bewegung. Mal sehen, ob es möglicherweise einen Leckerbissen gibt. Und einmal Ohrenkraulen sollte auf jeden Fall drin sein. 

Ute Behrendt-Huhn und ihr Mann haben Elli mit der Flasche aufgezogen. Da ist es kein Wunder, dass die Schwerinerin zu diesem Tier eine besondere Beziehung hat. Aber auch den anderen sechs Schafen aus der kleinen Herde in Freilichtmuseum Mueß gilt ihre Fürsorge. Da ist zum Beispiel Schlabbi, das alte Leittier, dass so heißt, weil es beim Fressen das Maul so weit aufreißt und dabei schlabbert. Oder Haralds Schönste, die ihren Namen aus Dankbarkeit gegenüber dem Schäfer bekam, den Ute Behrendt-Huhn mit Fragen löchern durfte.

In die Schafhaltung ist die 51-Jährige sozusagen „hineingerutscht“. Als die Familie nach Mueß zog, um ein niederdeutsches Hallenhaus zu sanieren, entstand der Kontakt zum Freilichtmuseum. „Wir hatten so viele Fragen zur Architektur alter Bauernhäuser und hier standen sie ja zum Ansehen bereit“, erinnert sich Ute Behrendt-Huhn. Ihre Vorfahren sind in Mueß alt eingesessen, das Museum bewahrt zum Beispiel ein altes Butterfass der Behrendts und diverse Familienfotos.

Auch sonst kam sie zunehmend mit der Museumsarbeit in Berührung. Irgendwann entstand die Idee, auf dem Gelände des Freilichtmuseums Hühner laufen zu lassen. Die Wahl fiel auf das Italiener-Huhn, das fleißig Eier legt und in mecklenburgischen Dörfern sehr verbreitet war. „Man könnte sagen, es war das Brothuhn“, sagt die Mueßerin, die zudem im Internet gelesen hatte, dass Italiener-Hühner Nichtbrüter sind. „Natürlich hätte ich mir denken müssen, dass das Quatsch ist“, sagt sie heute lachend – die Rasse müsste sich ja schließlich auch fortpflanzen. Regelmäßige Besuche des Fuchses dezimieren den Bestand dann wieder. So ist es in der Natur und auch auf einem Bauernhof. Das sollen Kinder im Freilichtmuseum lernen. Die allermeisten kennen die Haltung von Nutztieren von zu Hause nicht mehr und staunen, wenn das neugierige Federvieh auch mal die ­Mueßer Dorfstraße erkundet.

Ute Behrendt-Huhn ist inzwischen in der Einrichtung fest angestellt und gestaltet auf verschiedenen Gebieten das museumspädagogische Programm mit. Die studierte Maschinenbau-Ingenieurin war es irgendwann leid geworden, dass sich ihr Beruf nur noch zwischen Bürowänden und in digitalen Räumen abspielte. „Ich bin jemand, der mit einem reinen Sitzberuf nichts anfangen kann“, sagt sie – und gab dem Arbeitsleben nochmal einen neuen Kurs. 

Ein weiteres ihrer Learning-by-­doing-Projekte: die Verarbeitung von Roggenstroh zu Strohhüten. In Schweden fand Ute Behrendt-Huhn altes Wissen, besuchte dort zwei Workshops. Übrigens: Auch der skandinavische Julebock, ein traditioneller Weihnachtsschmuck, besteht aus Roggenstroh.

Und apropos Bock: Den Gedanken, im Museum auch Schafe zu halten, musste Ute Behrendt-Huhn erst einmal sacken lassen. „Tiere sind eine tägliche Verpflichtung“, betont sie und lobt im gleichen Zusammenhang das Engagement der Nachbarn und ihrer Mutter, die ihr auch mal einen freien Tag und Familienurlaub ermöglichen.

Der Mueßerin gehören die Tiere auf den Museumsflächen. Das Guteschaf, auch Gotlandschaf genannt, ist eine alte Haustierrasse. In den 1960er Jahren war sie kurz vor dem Verschwinden. In der ursprünglichen Heimat Schweden gab es gerade noch 24 Tiere. Unter anderem war es Professor Heinrich Dathe vom Berliner Tierpark, der sich für die Rettung der Art engagierte. Heute gibt es allein in Mecklenburg rund 2000 Guteschafe – sieben davon im Freilichtmuseum in Mueß. Und meist zieht eine Aufgabe die andere nach sich. Als Ute Behrendt-Huhn feststellte, dass ihre Schafe das gekaufte Heu verschmähten, griff sie im Folgejahr selbst zur Sense. Wohin mit der Wolle? Das war die nächste Frage. „Schafwolle ist auch für den Garten gut, aber so viel kann ich ja gar nicht verbuddeln“, sagt die Museumsmitarbeiterin. Wenn sie die Schafe einmal im Jahr nach den Eisheiligen schert, liegt ein ganzer Berg Wolle da. Also lernte Ute Behrendt-Huhn mit Hilfe von Mitgliedern des Klön-dor-Vereins das Spinnen.

Wenn am vierten Advent die Wintersonnenwerke nach Mueß locken, will sie den Besuchern dieses schöne Handwerk zeigen. „Spinnen ist ungeheuer beruhigend“, sagt sie und freut sich darüber, dass aus der Wolle von Elli & Co etwas Schönes entsteht. Auch darauf dürfen Besucher des Kunsthandwerkermarktes gespannt sein. 

Katja Haescher