16.04.2021

Leute

„Erdbeeren sind Pflicht“

Kathleen Alakus ist Kleingärtnerin und betreut Männer, die Sozialstunden leisten müssen
Kathleen Alakus (43) in ihrem grünen Refugium in der Schweriner Sparte „Erholung“
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Kathleen Alakus sagt von sich, sie habe den „grünen Daumen“. In ihrem Kleingarten gedeihen Pflanzen von Harlekin-Weide bis Hortensie, Rosen, allerhand Stauden, auch einjährige Blumen. Die Gewächse habe sie so ausgewählt, dass fast das ganze Gartenjahr etwas blüht.

Besonders wichtig seien ihr aber Kartoffeln und Gemüse. Damit Zucchini, Tomaten und Co. in der Erntezeit ordentlich abliefern, ziehe sie viele der Pflanzen ab Feb­ruar zu Hause vor. In einen Kleingarten gehören doch auch Erdbeeren, oder, Frau Alakus? „Klar“, sagt sie, „Erdbeeren sind Pflicht. Das Erste, was ich von meinem Gartennachbarn bekommen habe, waren Erdbeerpflanzen.“

2012 mietete sie ihre Parzelle in der Sparte „Erholung“ an. Zuvor hatten sich die Eltern der jungen Frau in derselben Kolonie bereits einen Garten genommen. „Ich habe ihnen viel geholfen, den Garten urbar zu machen. Mein Vater brachte mir dabei viel zum Anbau von Gemüse und anderen Pflanzen bei. Aber nicht nur das. Ich habe auch eine Menge Handwerkliches von ihm gelernt. So konnte ich später in meinem eigenen Garten eine Natursteinmauer selbst bauen“, erinnert sie sich.

Sich selbst einen Garten zuzulegen, entschied die junge Frau vor allem ihrer beiden Söhne wegen. Die Kinder sollten sich dort, anders als auf der Parzelle von Oma und Opa, ordentlich austoben können.
Der Schrebergarten, den Kathleen Alakus für ihre Familie auswählte, befindet sich nur 50 Meter entfernt von dem ihrer Eltern, stand aber zwei Jahre leer. Das Urbarmachen hatte sie ja bereits geübt. Es dauerte jedoch eine Weile, bis ihr kleines Reich wirklich schön aussah. Zunächst konnte sie nicht mal das Häuschen nutzen, unter anderem, weil es feucht war.

Die junge Familie ließ sich nicht verdrießen. „Meine Jungs und ich haben im Garten anfangs im Sommer vierzehn Tage im Zelt übernachtet. Auch noch im zweiten Jahr. Es war schön hier draußen, außerdem wollte ich uns die Fahrerei nach Hause und zurück ersparen. Ich hatte ja kein Auto damals“, sagt sie.

Das Haus ist längst modernisiert. Im vergangenen Jahr haben Kathleen Alakus und ihr Partner das kleine Gebäude mit Holz verkleidet. In den nächsten Wochen wollen sie die Terrasse erneuern. „Jedes Jahr eine Baustelle, das haben wir uns vorgenommen“, sagt sie.

Seit 2020 ist sie Bereichsleiterin für die zirka 30 Gärten im Hyazinthenweg – und damit zum Beispiel zuständig fürs Überprüfen der Wasseruhren und Stromablesen. Vor allem finden die Kleingärtner dieses Abschnitts in Kathy aber eine Vermittlerin zwischen ihnen und dem Vereinsvorstand.

Vor einem Jahr hat sie auch noch die Betreuung von sechs Delinquenten übernommen, die in der Garten­sparte So­zial­stunden leis­ten.
Den meis­ten der 23- bis 44-jährigen Männer wurden die Stunden als Strafe für wiederholtes Schwarzfahren aufgebrummt. Kathleen Alakus sagt, sie komme mit den Jungs gut klar. Es seien ja keine Schwerverbrecher. Unter Kathys Betreuung entrümpeln sie vermüllte Flächen, schneiden Brombeersträucher zurück, helfen, brach liegende Gärten in Gemeinschaftsflächen umzuwandeln, bereiten verlassene Parzellen auf die Neuvermietung vor.

Der Kontakt zu diesen jungen Männern, die Mist gebaut haben, entwickelte sich über den Verein Phönix; er vermittelt Straffälligen gemeinnützige Arbeit, um eine Haft zu vermeiden. Aber auch die Staatsanwaltschaft schickte schon den einen oder anderen Burschen für etliche Sozialstunden in die Sparte „Erholung“.

Kathleen Alakus muss nun eine Menge organisieren, was viel Papierkram bedeutet. Deswegen hat sie sich zu Hause ein Büro eingerichtet. Den Platz fand sie im früheren Zimmer ihres Sohnes; der 23-Jährige ist kürzlich ausgezogen.

Seit 2012 arbeitet sie als Erzieherin in einem Kindergarten. Schon im Kindesalter habe sie davon geträumt, sagt die heute 43-Jährige: „Ich glaube, das ist ein bisschen genetisch. Meine Mutter ist auch Erzieherin, und meine Oma war Lehrerin am Jugendwerkhof.“ Auf jeden Fall sei die Arbeit für sie eine Leidenschaft. „Eine wirklich geborene Erzieherin sagt nicht umsonst über die Mädchen und Jungen, die sie betreut: Das sind alles meine Kinder“, fasst sie zusammen.

In ihrem Kleingarten pflanze sie auch Gewächse an, die sie im Kindergarten zum Basteln mit den Kleinen verwenden könne – Dis­teln, Strohblumen und Lampionblumen.
Ihr grünes Refugium bedeute für sie aber nicht nur umgraben, harken, säen und ernten – schuften, sondern auch Genuss. Was kurz zusammengefasst das Tolle am Garten sei? „Die Ruhe“, antwortet sie ohne Zögern. S. Krieg