15.02.2023

Leute

Chancen auf ein besseres Leben

Roman Hanowell liest gerade das Buch von Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus, der konsequent die Idee der Mikrokredite verfolgt
like-imagelike-image
share email
dislike-imagedislike-image

Roman Hanowell will mit seinem Verein „Togo Jetzt!“ jungen Menschen in Afrika helfen

Dorcas hat eine Lehre als Köchin gemacht. In Deutschland ist das ein alltäglicher Satz, in Togo dagegen klingt er oft ungewöhnlich. Dort fehlt es vielen Familien an Geld, ihren Kindern eine Ausbildung
zu finanzieren – oder kleinen Unternehmern an den Voraussetzungen, einen Lehrling aufzunehmen. Dass Dorcas sich jetzt um gute Jobs bewerben kann, ihr der Weg in die Selbstständigkeit offen steht und sie eine berufliche Perspektive in ihrer Heimat hat, verdankt sie einem jungen Schweriner Verein. Roman Hanowell hat „Togo jetzt!“ im November 2021 gegründet – und es sind Biographien wie die von Dorcas, die er mit seinem Engagement ermöglichen möchte.
Der 22-Jährige hat Togo in den zurückliegenden Jahren gut kennengelernt. Anfangs war es ein Zufall – Roman spielte in einer Schülerband und nach vielen Treffen und viel gemeinsamer Musik in der Afrobar fiel der Satz: „Es gibt da ein Projekt, ihr kommt mit nach Togo.“ So reiste er 2017 erstmals als Teilnehmer eines Jugendaustauschs über die Schule der Künste in das westafrikanische Land. Zuvor kamen junge Togolesen auch nach Schwerin und Roman, der viele Jugendaustausche mitgemacht hat, sagt: „Ich habe noch nie erlebt, dass das Eis so schnell gebrochen ist wie zwischen uns und den Afrikanern.“ Schnell war ihm nach seiner Rückkehr klar: Ich muss da wieder hin. Nach dem Abitur packte er deshalb die Koffer für ein ganzes Jahr Freiwilligendienst in Lomé, der Hauptstadt Togos. Sein Ziel: das Land besser kennen lernen als es ein Tourist im Hotel und auf Ausflügen schaffen kann. Französisch, die Amtssprache, hatte der damals 18-Jährige in der Schule gelernt. „Die ersten Wochen habe ich dennoch kein Wort verstanden, weil die Togolesen das ,R‘ ganz stark rollen. Dann hat es klick gemacht und ich sprach genauso“, sagt Roman und muss schmunzeln – vor allem, wenn er daran denkt, wie seine Mutter, Französischlehrerin, fragte: „Roman, wo sind deine Nasale?“
Sechs Monate arbeitete der junge Schweriner in einem Waisenheim, danach noch einmal sechs Monate in einem Heim für ältere Kinder. Für viele war er hier so etwas wie ein großer Bruder, dem sie ihre Sorgen anvertrauten. „In Togo sind viele junge Leute nach der Schule perspektivlos. Der Arbeitsmarkt ist schwach, es gibt krasse Armut“, sagt der 22-Jährige. Wenn eine Ausbildung monatlich rund 15 Euro kostet, klingt das im deutschen Wirtschaftsgefüge nach wenig. In Togo ist diese Summe für viele eine unüberwindbare Hürde, die zwischen einem Leben in Armut und einer selbstbestimmten Existenz liegt.
Auch Romans Berufswunsch hat sich in Afrika geändert. Den Plan, Lehramt zu studieren, gab er hier auf. Theologie ist es geworden. „Ich habe in Togo gesehen, wieviel Halt Religion geben kann, auch wenn es darum geht, Ziele zu erreichen“, sagt er. Und vielleicht führt er mit seinem Studienwunsch und dem Interesse für Afrika einfach eine Familientradition fort. Hanowells haben herausgefunden, dass es unter Romans Vorfahren mütterlicherseits eine Nonne in Tansania und väterlicherseits einen Prediger in Afrika gegeben hat.
Die Eltern unterstützen Romans Engagement und den Verein nach Kräften – Vater Holger ist zweiter Vorsitzender. Sie haben ihren Sohn in Togo besucht, sind mit ihm durch das Land gereist, das eine deutsche Kolonialvergangenheit hat – eine Vergangenheit, die von struktureller Gewalt gegen die Bevölkerung und Rassismus gekennzeichnet war. Letzter Gouverneur dieser deutschen Kolonie war bis zum Ersten Weltkrieg Adolf Friedrich zu Mecklenburg, Sohn des Großherzogs Friedrich Franz II. 2019 kam Roman wieder nach Deutschland, um in Rostock das Studium anzufangen. Und er wollte wieder ganz schnell zurück nach Togo. Das hatte diesmal nicht nur mit Land und Leuten, sondern vor allem mit einem Menschen zu tun: Brigitte. Sie hatte während der Abiturzeit im gleichen Kinderheim gearbeitet, irgendwann fingen die beiden an zu daten, wurden ein Paar. Als Corona das Leben lahmlegte, flog Roman wieder nach Afrika: Im virtuellen Hörsaal der Uni Rostock konnte er auch in Lomé sitzen. „Es war so heiß, ich musste mir während des Online- Seminars immer wieder den Schweiß abwischen. Igendwann fragte der Professor: Herr Hanowell, was ist denn mit Ihnen los? In Deutschland herrschten zu diesem Zeitpunkt Minusgrade.“ Am 3. Oktober 2020 heirateten Brigitte und Roman in Lomé. Im April 2021 kehrte Roman wegen des Studiums nach Deutschland zurück, im November erhielt dann endlich auch Brigitte nach 13-monatiger Wartezeit ihr Visum. Das junge Paar wohnt in Rostock, wo Roman im Rahmen des Studiums gerade fleißig Hebräisch und Brigitte Deutsch lernt – sie plant eine Ausbildung zur Erzieherin.
Die Kontakte nach Togo bleiben: zu Maxime Adje beispielsweise, der Pastor einer Gemeinde in Lomé und Partner des Vereins „Togo jetzt!“ vor Ort ist. Romans Wunsch ist es, über Mikrokredite und Ausbildungsförderung möglichst vielen Menschen, gerade auch oft benachteiligten Frauen, zu helfen.
Darüber möchten Roman und Holger Hanowell am 3. März um 19 Uhr am Vereinssitz in der Buschstraße 1 in Schwerin sprechen und die Projekte des Vereins vorstellen. Interessierte sind herzlich
willkommen.

Katja Haescher

www.togo-jetzt.de