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22.01.2010

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Weckruf für die Sinne

Physiotherapeutin Astrid Nachtigall setzt als Vorreiterin in Mecklenburg-Vorpommern auf das Pörnbacher Konzept
Was der kleinen Liv besonders gut gefällt: Es darf auch mal gerutscht werden. Fotos: Anja Bölck
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Astrid Nachtigall gehört zu jenen Physiotherapeuten, die Fachbücher verschlingen, neue Wege ausprobieren und ihren Job mit allen Sinnen genießt. Wobei wir schon beim Thema wären. Denn um die Sinne dreht es sich bei der 36-Jährigen beinahe täglich.

Astrid Nachtigall arbeitet bei der Interdisziplinären Frühförderstelle des Arbeiter-Samariter Bundes (ASB) in Lankow. Sie ist Teil eines Teams von Logopäden, Heilpädagogen und Physiotherapeuten, die sich um Kinder kümmern, denen es nicht ganz so leicht fällt, die Welt zu erobern. Entweder, weil ihre Sinnesfunktionen nicht so ausgeprägt sind, weil sie vielleicht zu früh zur Welt kamen, sie langsamer sind, in dem was sie tun, öfter hinfallen, sich partout nicht konzentrieren können oder auch schwer behindert sind.
Als Astrid Nachtigall bei der Frühförderstelle anfi ng, war sie eine von vielen Physiotherapeuten, wie sie es in Schwerin gibt. Doch bei der Arbeit mit den Kindern merkte sie schon bald, dass ihr irgend etwas fehlt: Ein anderer Blickwinkel. Kurz darauf hört sie zum ersten Mal vom Pörnbacher Konzept, das in den 1980er-Jahren von einer gewissen Traudl Pörnbacher entwickelt wurde. Zwei Jahre lang fuhr Astrid Nachtigall daraufhin nach Hamburg, um sich das Konzept anzueignen. Seit dem vergangenen Frühjahr darf sie es selber praktizieren.
Während in Hamburg und im süddeutschem Raum Kinder mit Entwicklungsverzögerungen schon lange mit dem Pörnbacher Konzept behandelt werden, steht sie in M-V noch ziemlich alleine da. „Mir gefällt an dem Konzept, dass das Kind mit all seinen Körper- und Sinnesfunktionen und kognitiven Leistungen gesehen und gefördert wird. Die Therapie baut auf einer speziellen Lagerungstechnik auf. Während der kleine Patient beispielsweise auf keilförmigen Kissen liegt, werden gewisse Auflagepunkte stimuliert, wodurch wiederum das zentrale Nervensystem aktiviert wird.“ Astrid Nachtigall fügt noch weitere gezielte Impulse hinzu, um Bewegungsprogramme im Kopf neu zu aktivieren und das Kind auf eine höhere Entwicklungsstufe zu bringen. „Das Grundprinzip“, sagt sie, „heißt Aktivieren autonomer Entwicklungsprozesse, nicht korrigieren einzelner Auffälligkeiten.“ Natürlich ließe sich das Konzept nicht bei allen Kindern anwenden. Was aber schön sei, ist die Möglichkeit, dass auch Logopäden und Heilpädagogen mit dem kleinen Patienten arbeiten können, während er auf dem Kissen liegt.
Dass Astrid Nachtigall heute mit Kindern arbeiten kann, stimmt sie froh. Seit ihrer Jugend fühlt sie sich zu den Kleinen hingezogen. Nach der Schule ging die gebürtige Zwickauerin für ein Jahr nach Amerika, wo sie in einer Einrichtung für behinderte Kinder ein soziales Jahr macht. Damals beschließt sie, Physiotherapeutin zu werden.
Nach Schwerin verschlug es Astrid Nachtigall mit ihrem Freund vor elf Jahren. Die beiden fühlen sich hier schnell wohl und schon bald sind sie eine kleine Familie. Als Astrid Nachtigall mit ihrer ersten Tochter schwanger ist, entdeckt sie Yoga - ein Hobby, das sie nicht mehr los lässt. Inzwischen ist sie selbst seit sieben Jahren Yogalehrerin. An der Volkshochschule unterrichtet sie Schweriner jeglichen Alters in Kundalini – einer dynamischen Yogaform, die gut für Rücken und innere Organe ist und bei der niemand auf Teufel komm raus auf dem Rücken liegend entspannen muss. Für Astrid Nachtigall selbst ist dieser Sport goldwert. Schließlich sieht sie auf Arbeit auch vieles, was an die Nieren geht. Vor allem, wenn sie Zuhause bei Kindern vorbeischaut, die in sozial schwachen Familien leben. Da ist Yoga ein guter Ausgleich, um den Kopf leer zu kriegen. Es ist wie ein Spaziergang am Meer, den sie so mag. Sie weiß: Aufgetankt, ausgeglichen und voller Ruhe kann sie den Kindern viel besser auf die Sinne gehen.