10.08.2010

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REGIEREN UNTERM GÖTTERVATER

Die Staatskanzlei ist eines der schönsten klassizistischen Gebäude Schwerins
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und mehr ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Heute in der Schloßstraße 2-4, wo die Staatskanzlei klassisch-griechische Erhabenheit nach Schwerin bringt.

Über dem Eingang thront Göttervater Zeus. Den Adler an seinem Stuhl und das Zepter in der Hand schaut er mit ernster Miene auf das Geschehen zu seinen Füßen  – den Blitz zum Schleudern griffbereit. Doch selbst wenn der Göttervater auf dem Giebel die Staatsgewalt symbolisiert – unter diesem Dach  hat er nichts zu sagen. Also beschränkt er sich aufs Repräsentieren und gibt zusammen mit seinen Kindern Athene und Hermes, seiner Schwester Demeter und seinem Bruder Poseidon als Dachskulptur dem Gebäude in der Schloßstraße die besondere Würde.
Die ist dem Ort durchaus angemessen: Mit dem zwischen 1825 und 1834 errichteten Bau entstand erstmals ein modernes Verwaltungsgebäude für das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin. Dafür waren die geheimen Regierungsräte ihrem Großherzog Friedrich Franz I. auch lange um den Bart gegangen: Schon 1819 gab es den Plan für ein solches Haus. Mehrere Architekten unterbreiteten Entwürfe, bis 1824 endlich Carl Heinrich Wünsch eine „sehr schöne Zeichnung“ einreichte. Nach mehrjähriger Standortsuche hatten Regierung und Großherzog zu diesem Zeitpunkt für das so genannte Kollegiengebäude auch endlich einen Platz in Sichtweite des Schlosses gefunden. Es war das Grundstück eines ehemaligen Franziskanerklosters, das in der Reformationszeit, Mitte des 16. Jahrhunderts,  abgetragen wurde. „Mehrere Gerippe in vermoderten Särgen“ mussten noch umgebettet werden, als 1825 endlich die Bauarbeiten für das Regierungshaus begannen.  Schon 1826 war die Baukasse „eigentlich erschöpft“. Erst mit Hilfe staatlicher Obligationsscheine, die mit einer Verzinsung von vier Prozent an vermögende Adlige und Bürger verkauft wurden, kam zusätzliches Geld in die Kasse und die Regierung konnte im Dezember 1834 das Kollegiengebäude beziehen. Allerdings nicht für lange Zeit: 1865 brach in dem Gebäude ein Feuer aus, das sich in den mit Akten gefüllten Räumen schnell ausbreitete. Zum Glück ging der Wiederaufbau deutlich zügiger: Er dauerte nur zwei Jahre und wurde von Hofbaumeister Hermann Willebrand geleitet.
 Dass der Großherzog bei der Errichtung des Kollegiengebäudes häufiger knapp bei Kasse war, ist dem Gebäude auf den ersten Blick nicht anzumerken. Außen nimmt das Bauwerk die Architektur des klassischen Altertums auf. „Im ganzen äußern Umriß habe ich gesucht, nur allein den griechischen Styl, der noch immer die anmuthigsten Formen und Verhältnise zeigt, anzubringen“, schrieb darüber Architekt Wünsch.
Innen öffnet sich seit dem Wiederaufbau durch Willebrand ein prächtiges Vestibül, golden schimmert das Geländer im repräsentativen Treppenhaus.  „Allerdings handelt es sich lediglich um Schlagmetall, das nur so glänzt, als wäre es Gold“, berichtet Marita Moritz, Mitarbeiterin der Pressestelle der Staatskanzlei , von den kleinen „Schummeleien“ im Dienste der Eleganz. Und auf Eleganz wurde natürlich größter Wert gelegt. Davon erzählt heute zum Beispiel der ehemalige Kollegiensaal im zweiten Obergeschoss, der mit seiner reich verzierten Stuckdecke und dem diagonal verlegten Tafelparkett zu den besonders reich ausgestatteten Räumen gehört. Blickfang ist ein Bilderfries mit 24 Gemälden, die die Ämter des Großherzogtums zeigen. Geschaffen wurde der Zyklus von dem Wismarer Maler Friedrich Jentzen, der auch die Fresken großherzoglicher Schlösser und Landsitze malte, die heute in der Schlössergalerie des Schweriner Schlosses zu sehen sind.
Wenn am 14. und 15. August das Land Mecklenburg-Vorpommern zum MV-Tag nach Schwerin einlädt, öffnet das alte Kollegiengebäude – die heutige Staatskanzlei – zum Tag der offenen Tür. „Dieses Angebot gab es bereits mehrere Male. Vor drei Jahren, am Tag der deutschen Einheit, kamen zum Tag der offenen Tür mehrere tausend Besucher“, sagt Marita Moritz. Kein Wunder – erzählt doch das Gebäude gleich mehrere Kapitel Schweriner Geschichte. Nach der Novemberrevolution und der Abdankung des letzten regierenden Großherzogs Friedrich Franz IV. zog hier der Ministerpräsident des neuen Freistaates Mecklenburg-Schwerin ein. Während der Nazi-Diktatur saß in dem Haus der Gauleiter. 1945  bis zur Bildung der Bezirke 1952 waren hier die Büros der  Ministerpräsidenten des Landes, das zuerst Mecklenburg-Vorpommern und ab 1947 nur noch Mecklenburg hieß.
Zu Zeiten der DDR nutzte die SED-Bezirksleitung das Gebäude. Seit 1990 ist der Kollegien-Palast Staatskanzlei und mit Erwin Sellering hat der inzwischen vierte Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern hier sein Büro. Und auch das dürfen Besucher am Tag der offenen Tür in Augenschein nehmen. Geöffnet ist am Sonnabend und am Sonntag  von 10 bis 17 Uhr.