17.08.2023

Stadt

Hüllenlos gegen Müllberge

Susanne Meletzki möchte Menschen dabei unterstützen, umweltbewusst und regional einzukaufen
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Susanne Meletzki gewinnt mit Unverpackt-Laden einen Preis im IHK-Wettbewerb Erfolgsraum Altstadt

Die Tür klappt nicht – sie steht weit offen. Dafür klappern wie je- den Donnerstag die Gemüsekisten und Kunden schichten Bohnen, Tomaten und Zucchini in ihre mit- gebrachten Körbe und Taschen. Das ist das Konzept im kleinen La- den „FKK Unverpackt“ in der Schweriner Schelfstadt: Der Einkauf soll möglichst hüllenlos von A nach B gelangen. FKK bedeutet „Freie Konsum Kultur“ und Inha- berin Susanne Meletzki spielt gern mit diesem Begriff – zum Beispiel, wenn sie für ihren Newsletter „nackte Fakten“ zusammenstellt. Da geht es zum Beispiel darum, wie viel Gramm Mikroplastik ein Mensch in einer Woche aufnimmt – es sind fünf Gramm, was dem Gewicht einer Kreditkarte entspricht.

Nicht nur das ist für Susanne Me- letzki ein klarer Beweis, dass die Berge von Verpackungen dringend schrumpfen müssen. Und sie merkt dann, dass sie mit dem Unver- packt-Laden auf dem richtigen Weg ist. Gerade gab es für das Konzept auch den Preis in der Ka- tegorie „Neugründung“ im IHK- Wettbewerb „Erfolgsraum Altstadt“. In der Bewerbung hat die junge Gründerin aufgeschrieben, warum ihr Laden so gut in die In- nenstadt passt: weil Schwerin eine naturverbundene Stadt ist und des- halb auch viele Menschen anzieht, die einen natürlichen Lebensstil bevorzugen.

Das war bei Susanne Meletzki nicht anders. In Crivitz geboren, hätte sie bei ihrem Aufbruch zum Studium nach Berlin nicht ge- dacht, wieder hierher zurückzu- kehren. „Zum Beispiel deshalb, weil es kaum Angebote für junge Leute gibt“, sagt die 38-Jährige. Dafür gibt es saubere Luft, Natur, Wasser – und mit der Geburt ihres Sohnes im Jahr 2015 verschoben sich die Prioritäten.

Zu diesem Zeitpunkt lebte Susan- ne Meletzki in Vietnam, genauer gesagt in Ho-Chi-Minh-Stadt. „Die Luftverschmutzung dort ist regelrecht zu sehen“, erzählt sie. Es gab Wochen, in denen ihr Sohn im Kindergarten an vier von fünf Ta- gen nicht ins Freie durfte, sondern Susanne Meletzki möchte Menschen dabei unterstützen, umweltbewusst mit den anderen Kindern in von Luftfiltern gereinigten Innenräu- men spielen musste. „Und es wurde immer schlimmer“, sagt die Schwerinerin, die elf Jahre in Viet- nam zu Hause war.

Dabei hatte sie als Studentin ei- gentlich nur den Rucksack für ein Semester in Asien gepackt. Eine Freundin war nach Vietnam gezo- gen und Susanne wollte sie in den Semesterferien besuchen. Sie war begeistert von der Lebensfreude, Offenheit und Neugier der Men- schen, „etwas, das hier so verpönt ist“. Aus dem geplanten Winterse- mester wurden Jahre: Susanne Meletzki fand eine Anstellung in einer Keramik-Manufaktur, in der sie Designs kreierte, später machte sie sich mit einem Ladencafé unter dem Namen „Green Around The Corner“ selbstständig. Dort ver- kaufte sie bereits Creme-Deos und Kräuter-Shampoos, die sie für ihre Kunden abfüllte.

Überhaupt war Vietnam eine wich- tige Inspiration für die Unver- packt-Idee: „Dort war es normal, unverpackt einkaufen zu können, gerade auf Märkten, aber auch im Supermarkt“, sagt Susanne Meletz- ki. Sie weiß auch, dass in anderen Teilen der Welt drängende Pro- bleme viel sichtbarer sind als im sauberen, aufgeräumten Deutsch- land. „Wenn es keine funktionie- rende Müllabfuhr gibt oder sogar noch Plastikmüll dorthin expor- tiert wird, sieht das anders aus.“ Zurück in Deutschland lernte sie Geneviève Braune kennen, die 2017 zusammen mit Annemarie Boeck bereits den IHK-Gründer- preis für einen Unverpackt-Laden in Schwerin gewonnen hatte. „Wir saßen in ihrem Garten und haben überlegt, wie wir das weiterentwi- ckeln können“, sagt Susanne Me- letzki. Das Konzept: ein FKK-Un- verpackt-Mobil für den Einsatz auf Festivals. Nach dem erfolgreichen Crowdfunding herrschte jedoch tiefster Corona-Lockdown – Festi- vals gab es nicht und viele poten- zielle Kunden wünschen sich ein größeres Sortiment, als auf ein Mo- bil gepasst hätte. So ging am 1. Juni 2021 zum ersten Mal in der Münzstraße die Ladentür auf. Hülsenfrüchte, Müsli und Gewür- ze, Backzutaten und Trocken- früchte, Kaffee, Schokolade und Frischeprodukte, aber auch Wasch- mittel und Körperpflegeprodukte gehören zum Angebot. Susanne Meletzki hat ein großes Netz zu Gleichgesinnten und lokalen Her- stellern geknüpft. Wer einkaufen kommt, kann sich Behälter mit- bringen und die Produkte abfüllen – bezahlt wird dann nach Gewicht. Susanne Meletzki weiß, dass es gar nicht so einfach ist, Einkaufsge- wohnheiten zu ändern. Doch schon kleine Schritte helfen. Des- halb empfiehlt sie, einfach mal beim Müll zu schauen, welcher Ab- fall am meisten nervt: „Bei mir wa- ren es die großen Flaschen vom Waschmittel, bei deren Anblick immer der Gedanke aufkam, dass jetzt wieder so ein großes Plastik- ding im Müll landet.“ Sie will bei allen Problemen, die es rund um Müll und Klima gibt, dennoch Optimismus verbreiten. „Die Schlussfolgerung ,es hat doch alles keinen Sinn‘ ist schlecht“, sagt sie und will die Herausforderung in ihrem Laden auf leichte und hu- morvolle Art angehen. Die nächs- ten Ideen gibt es auch schon: ein Nachhaltigkeitszentrum, in dem neben dem Laden Kursräume, ein Zero-Waste-Café und eine Begeg- nungsstätte Platz finden könnten.

Katja Haescher