15.03.2023

Stadt

Fürs Theater ist niemand zu klein

Tina Koball (37) leitet die Abteilung Theaterpädagogik und Partizipation am Mecklenburgischen Staatstheater.
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Wann ist ein Kind groß genug fürs Theater?

In dem Moment, in dem es zuschauen kann. Die Angebote unserer „Krümelbühne“ richten sich schon an Kinder im Alter von eineinhalb, zwei Jahren. Konzept ist dabei, dass „die Krümel“ zuerst zusehen und sich danach selbst ausprobieren können. Dies gewährleistet eine Interaktion, die kein Video bieten kann. Außerdem ist es auch ein Angebot für Eltern: Wer ein kleines Kind hat, hat oft wenig Gelegenheit, kulturelle Veranstaltungen zu nutzen.

Welche Themen interessieren Kinder besonders?

Je jünger ein Kind ist, umso mehr muss ein Thema natürlich der eigenen Lebenswirklichkeit entsprechen. Nachher wird das Spektrum größer: Die Älteren interessieren sich für Umweltfragen, die erste Liebe, aber auch die virtuelle Realität. Wir leben in einer Zeit, in der Jugendliche mit zwei Ichs aufwachsen. Das eine ist das aus der realen Welt, das andere das, was in den sozialen Medien dargestellt wird – und das spiegelt oft nur Perfektion. Das Junge Staatstheater Parchim hatte das in dem Stück „Zwischen Gretchen und Corona“ thematisiert: Was tue ich, wenn jemand an mir meine Sommersprossen mag – und die gar nicht echt sind? Ich will die neuen Möglichkeiten der Kommunikation nicht verteufeln, sie sind für vieles ganz wichtig. Aber es ist bestimmt auch nicht einfach, so aufzuwachsen.

Welche Angebote hat die Theaterpädagogik für Kitas und Schulen – und welche kommen am besten an?

Ganz beliebt ist der Blick hinter die Kulissen – verbunden mit der Erkenntnis, dass ja nicht nur die Leute auf der Bühne für das Theatererlebnis sorgen. Hier ist zu sehen, dass Theater wirklich ein Manufakturbetrieb ist. Andere Angebote sind Workshops, bei denen es zum Beispiel darum geht, ein Gefühl für Sprache zu bekommen, aber auch Nachgespräche, in denen Beteiligte an einer Vorstellung aus dem Nähkästchen plaudern. Auch hier erleben Kinder und Jugendliche Theater dann nicht nur als Endprodukt, sondern als kreativen Prozess. Und das sind nur einige Beispiele. Wie nachhaltig kann Theaterp.dagogik wirken? Wie wichtig sind engagierte Lehrer und Erzieher? Ohne sie würden einige Kinder groß werden, ohne je im Theater gewesen zu sein. Da sind natürlich Angebote wie das Weihnachtsmärchen ganz wichtig. Wenn ich da vor der Vorstellung durchs Foyer gehe, ist das fast eine Festivalatmosphäre. Welchen Einfluss das Theater inhaltlich hat, kann man zwar nicht messen, aber ich höre immer wieder, dass Theatererlebnisse noch lange im Gedächtnis bleiben. Zum Beispiel, wenn sie direkt im Klassenzimmer stattgefunden haben. Fest steht aber, das Theaterspielen ganz viele wertvolle Kompetenzen vermittelt – vom Arbeiten in der Gruppe bis hin zum Selbstbewusstsein und der Fähigkeit, mit anderen von Angesicht zu Angesicht zu kommunizieren. Deshalb sollte Theater, wie Sport oder Musik, ein Schulfach für alle sein. An unserem Haus gibt es mehrere Theatergruppen, von denen ich drei leite. Das ist für mich das Schönste dabei: Menschen Räume zu geben und zu sehen, wie sie über sich hinauswachsen.

Können Sie sich noch an Ihr erstes Theatererlebnis erinnern?

Ich bin ein Hinter-den-Kulissen-Kind, mein Vater war Dirigent. In der Produktion „The Sound of Music“ in Greifswald habe ich damals sogar mitgespielt. Ich saß vor dem Orchester, die Beine baumelten im Orchestergraben, und habe gesungen. Das würde ich mir gar nicht mehr trauen, aber das Erlebnis prägt mich bis heute.

Interview: Katja Haescher