15.10.2021

Leute

„Qualität spielt eine große Rolle“

Tim Harneit ist seit März einer der beiden Leiter des Filmpalasts Capitol in Schwerin
Tim Harneit (31) im großen Saal des Capitols. Das Kino ist sein zweites Zuhause.
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„Filme“, sagt Tim Harneit, „müssen es schaffen, bei mir irgendeine Form von Emotionen zu wecken. Das kann genauso gut Freude sein wie Trauer und Wut.“ Seinen ers­ten Kinofilm habe er als kleiner Junge zusammen mit seinen Großeltern im Capitol Schwerin geschaut, erinnert er sich, „wahrscheinlich ein Disneyfilm“.

Schon damals hat ihn das Kino als Erlebnisort fasziniert, denn später kam er nicht nur als Zuschauer ins Capitol zurück, sondern er jobbte dort neben seinem Fachabitur als Kartenabreißer, in der Reinigung, an der Kasse. Nicht lange, und er ließ sich auch zum Filmvorführer ausbilden. Zu dem Job zählte es, die 35-Millimeter-Filme zusammenzukleben, und die 20 Kilogramm schweren Rollen in den Projektorraum zu buckeln.

Das machte ihm nichts aus. Schnell war dem jungen Mann klar: Hier will ich bleiben. „Eigentlich war geplant, dass ich in die IT-Firma meines Vaters einsteige“, sagt er. „Aber obwohl ich schon mit sechs Jahren einen Computer hatte, war mein Interesse daran doch nicht so groß.“ Er brach kurzerhand das Fachgym­nasium Technik ab, um sich ganz dem Kino zu widmen. Aber nicht ohne Ausbildung. Er überredete 2009 den damaligen Capitolleiter Dirk Mattenklott, eine Lehrstelle für ihn einzurichten. So lernte Tim Harneit ab September 2010, nachdem er seinen Wehrdienst beendet hatte, den Beruf des Veranstaltungskaufmanns.

Er blieb dem Haus treu und unterstützte Mattenklott als Theater­leiterassistent. Was sich nach einer entspannten Bürotätigkeit anhört, bedeutete reichlich Arbeit – von Popcorneinkauf bis Personalein­satz und von Kartenverkauf bis Veranstaltungs­planung. Parallel leitete er von 2013 bis 2015 kommissarisch ein Veranstaltungshaus in Lübeck, so dass er oft erst tief in der Nacht wieder zu Hause war.

Das Capitol bot immer wieder Künstlern eine Bühne. Musiker traten ebenso im großen Saal auf wie Comedians. Viele von ihnen durfte Tim Harneit kennenlernen. Was anfangs noch aufregend war, wurde mit der Zeit zur Routine Und er hat festgestellt: „Die meis­ten der Prominenten sind gar nicht so unnahbar, wie man vermutet, sondern Menschen wie du und ich. Bis auf wenige Ausnahmen habe ich mit ihnen positive Erfahrungen gemacht.“ Besonders gern denke er an den Electronic-Music-Künstler Schiller zurück, der nicht nur ein freundlicher und entspann­ter Typ sei, sondern sich auch höchst begeistert von der Akustik im Capitol zeigte.

Wenn die Pandemie überwunden ist, soll es hier weitergehen mit Veranstaltungen. In erster Linie bleibt das Capitol jedoch ein Lichtspieltheater. Ein altehrwürdiges dazu. Der große Saal mit dem Balkon (Kino 1) steht sogar unter Denkmalschutz. Wie steht es unter diesen Bedingungen mit der technischen Weiterentwicklung? „Oh, beim technischen Fortschritt halten wir uns nicht zurück“, sagt Tim Harneit. „Wir haben jetzt schon 4K-Doppelprojektoren, die mehr Tiefe ermöglichen und setzen teils auf Laserprojek­tion, womit demnächst alle unsere Säle ausgerüstet werden sollen.“

Ist es wirklich das Hightech-Bild, verbunden mit bestem Sound, was die Leute bewegt, ins Kino zu gehen, anstatt Filme auf Netflix zu streamen oder sie sich im Fernsehen anzuschauen? Er überlegt kurz. „Natürlich spielt die Qualität eine große Rolle, genauso wie der Service am Gast. Aber letztlich ist es vor allem das Happening. Man teilt zusammen mit anderen ein Erlebnis. Das gibt es so sonst nur im Theater. Dadurch bleiben die Filme viel besser in Erinnerung, als wenn man sie sich zu Hause auf dem Bildschirm anschaut.“ Das gelte nicht nur für aufwendig produzierte Blockbuster, sondern auch für kleinere Filme wie „Promising Young Woman“ und „The Father“, die ihn jüngst sehr begeistert haben.

Seit März dieses Jahres leitet der 31-Jährige zusammen mit Hartmut Kohlschmidt das Capitol. „Jeder von uns beiden hat seine Hauptkompetenzen. Bei mir sind das vor allem Warenwirtschaft, Marketing, Verwaltung und Buchhaltung. Aber wir können uns auch gegenseitig vertreten“, sagt er.

Viel Arbeit fällt abends und am Wochenende an. Kein schöner Rhythmus für einen Familienvater – zwei Sprösslinge hat Tim Harneit, eine fünfjährige Tochter und einen fünf Monate alten Sohn. „An den Vormittagen kümmere ich mich um die Kinder, und so oft es geht, halte ich mir den Sonntag für die Familie frei“, sagt er.

Hin und wieder zieht es ihn aber auch daheim in den Keller, wo er an der Hantelbank seine Muskeln stählt. Gern fährt er zudem Fahrrad. Wenn dann noch Zeit bleibt, wird schon mal ein kleiner Spiele­abend mit Freunden organisiert. Und nicht zu vergessen: das Filme schauen, eine Leidenschaft, die sich von klein auf durch Tim Harneits Leben zieht. S. Krieg