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Ein Herz für die Eisenbahn
Einstiger Lokführer Peter Falow vermittelt Wissen rund um Bahn, Bahnhof und Fürstenzimmer
Manchmal ist der Job eines Bahnhofsvorstehers erster Klasse kein leichter. Zum Beispiel wenn die Sonne sticht und die Uniform aus fünf Millimeter dickem Wollstoff, über der Brust doppelt genäht, keinen Luftzug durchlässt. „So war es beim diesjährigen Schlossfest“, sagt Peter Falow, der bei solchen Gelegenheiten die historische Montur überstreift. Traditionell beginnt das Schlossfest mit der Ankunft von Großherzogin und Großherzog am Bahnhof – wird doch mit dem Umzug an die Rückkehr des Herrschers ins umgebaute Schweriner Schloss erinnert.
„Nichts war größer und prächtiger als dieser Empfang“, sagt Falow. Ihm ist deshalb auch dieser Ablauf im heutigen Protokoll zu verdanken, mit dem er auf die Bedeutung der Bahnstation für die Entwicklung der Stadt aufmerksam machen will. 1847 hatte Schwerin mit einer Verbindung nach Hagenow Eisenbahnanschluss erhalten. Und wenn auch das heutige Bahnhofsgebäude damals noch nicht stand, so war doch 1857 bereits eine wichtige Voraussetzung für den Ausbau der Residenz geschaffen.
Geschichte mit Geschichten erzählen und nicht mit einer trockenen Aneinanderreihung von Fakten. Das war schon immer das Anliegen von Peter Falow. Dass es bei diesen Geschichten hauptsächlich um die Eisenbahn geht, ist sozusagen berufsbedingt. Der heute 87-Jährige steuerte als Hauptlokführer regelmäßig den Petermännchenzug
von Schwerin nach Berlin, war später sogar Fahrlehrer auf den großen Maschinen oder wie es in der Bahnsprache hieß: „Instrukteur für Fahr- und Feuerungstechnik“.
Dass er selbst schon als junger Mann die Verantwortung auf der Lok trug, hing auch mit dem Krieg zusammen, der Peter Falows Familie 1945 nach Schwerin verschlagen hatte. „Viele Männer waren gefallen, so dass wir Jungen schon mit Anfang 20 auf die rechte Seite der Lok wechseln durften.
Das war sonst oft erst nach 15 Jahren der Fall“, sagt der Schweriner. Lokführer zu werden, war ihm dabei fast ein bisschen vorbestimmt: Er war es in dritter Generation. Im Führerstand der Lok ging aber auch eine Idee an den Start, die sein weiteres Leben entscheidend prägen sollte.
Begonnen hatte alles mit dem Umstieg auf die Dieselloks. Zuvor war Peter Falow mit seiner Dampflok mehr als 500000 Kilometer störungsfrei gefahren. „Da entsteht
eine enge Beziehung. So eine Dampflok lebt, sie ist mit der Natur verbunden, mit Elementen wie Feuer und Wasser“, sagt er und erzählt,
wie traurig es war, die alten Dampfloks herumstehen zu sehen – bereit zur Verschrottung. Dann kam der Tag, an dem Reichsbahndirektionspräsidentin Renate Fölsch auf einer Kontrollfahrt in der Lok des Petermännchen-Expressnach Berlin mitfuhr. Die zweieinhalb Stunden mit der Chefin nutzte Peter Falow, um sein Anliegen vorzubringen: eine Dampflok zu erhalten und die alte Technik nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Die Präsidentin machte schon am nächsten Tag Nägel mit Köpfen – und Peter Falow stellte an die Direktion den Antrag, die Strecke Schwerin-Rehna als Museumsstrecke aufzuwerten.
Um den Einsatz der Museumslok ökonomisch zu machen, sollte das FDGB-Heim „Fritz Reuter“ seinen Gästen pro Durchgang eine Fahrt anbieten. Die Wende sorgte auch hier für eine Zäsur. Doch Peter Falow machte weiter. In seinen letzten Arbeitsjahren war er Bahntouristiker und als solcher für Sonderzüge, Bahnhofsfeste und die Beteiligung an Ortsjubiläen zuständig. So manches Fahrzeug und manches technische Ausstattungsstück rettete er vor dem Schrott, genauso wuchs die Sammlung von Dokumenten und Fotos. „Ich hatte drei Garagen: Eine für Motorräder, eine für den Wohnwagen und eine als Archiv und Werkstatt für die Aufarbeitung historischer Eisenbahnexponate“, beschreibt der Enthusiast. Mit der Gründung des „Fürstenzimmervereines Sw Hbf und Freundeskreises historischer Eisenbahnuniformen“ trug Peter Falow weiter zu seinem Anliegen bei, Eisenbahngeschichte fassbar zu machen und gleichzeitig einen besonderen Bereich des Schweriner Bahnhofsgebäudes zu erhalten. Die Fürstenzimmer dienten als Empfangs- und Wartebereiche für „Allerhöchste und Höchste Herrschaften“. In Krakow, erzählt Peter Falow, sei die niederländische Königin Wilhelmina einmal bei Regen fürchterlich nass geworden. In den Wartesaal zu den Bauern habe sie sich nicht setzen können und der Bahnhofsvorsteher, der gerade
kochte, habe sich auch nicht getraut, Ihre Durchlaucht in seine Küche zu bitten. Nach dieser Episode wurde auch in Krakow ein Fürstenzimmer eingebaut – so wie
es dies auch in anderen mecklenburgischen Bahnhöfen gab. Peter Falow hat diesen und viele weitere Fakten zusammengetragen.
Er hat Streckenfeste initiiert und im historischen Bahnhof Gadebusch ein kleines Eisenbahnmuseum eingerichtet. Außerdem hat er dafür gesorgt, dass der Salonschlafwagen aus dem ehemaligen Regierungszug der DDR hier sein Abstellgleis als Hotel fand. Aber das ist schon wieder eine neue Geschichte.
Katja Haescher