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Unter Dach und Fach
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und mehr ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Heute in der Buschstraße 14, wo aus einem alten Fachwerkhaus ein neues Schmuckstück und gemütliches Restaurant entstanden ist.
Als der Schweriner Gastronom Thomas Jiskra das Haus zum ersten Mal in Augenschein nahm, war es in einem erbarmungswürdigen Zustand. Fachwerk, Fenster, Fußboden – alles, was aus Holz war, moderte vor sich hin und um Dach und Gemäuer stand es kaum besser. Aber das Gebäude hatte Charme und der neue Besitzer viel Phantasie. Mehr als zwei Jahre dauerten die Sanierungsarbeiten in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege, bevor im November 2011 das Restaurant „Kartoffelhaus“ am neuen Standort eröffnete. Wer hier Platz nimmt, sitzt mittendrin im alten Schwerin. Mit der Zahl „vor 1729“ gibt das Stadtarchiv das Baujahr des Fachwerkhauses an.
Damals nannten die Schweriner die heutige Buschstraße Faule Grube. Namensgeber war ein kleiner, übel riechender Graben, in den Anwohner ihre Abfälle kippten und der hier entlang in Richtung Grafenmühle floss. Links und rechts des Fließgrabens standen 31 Häuser – 19 auf der einen und 12 auf der anderen Seite. Wie in den Nachbarhäusern lebten und arbeiteten auch in der heutigen Nummer 14 Handwerker. Beginnend mit dem Jahr 1853 sind sogar die Bewohner verzeichnet: Mehlhändler Boye, Hofseiler Rose, Pantoffelmacher Breitenfeld... In den folgenden Jahren wohnten in dem Haus Gelbgießer und Schuster, Schneider und Kammmacher, Hebammen und Hausdiener. Mit der „Restauration von Madame Poppe“ wurde das Gebäude 1876 sogar ähnlich wie heute genutzt.
Alle diese Informationen hat Wirt Thomas Jiskra akribisch gesammelt. „Als wir mit dem Umbau begannen, haben wir unter dem Dach zum Beispiel die alten Rechnungen eines Handwerkers gefunden, der im 19. Jahrhundert hier lebte“, erzählt er. So ist heute noch überliefert, dass Klempnermeister Heinrich Kruse 1880 in Esslingen bei Stuttgart mehrere Laternen orderte, die ihm zum Preis von 56,80 Mark durch die Bahn zugestellt wurden – auf seine „werthe Rechnung und Gefahr“. Solche Geschichten machen Thomas Jiskra das charmante alte Haus zusätzlich schmackhaft. Darüber hinaus hat der neue Besitzer sein Bestes getan, bauliche „Erbstücke“ zu erhalten. Das gilt für die alten Bodenfliesen des ehemaligen Treppenhauses genauso wie für die rustikalen Balken, die – teils freigelegt – vom alten Schwerin erzählen. 100 Jahre alte Biberschwänze kamen zum Einsatz, als das Dach neu gedeckt wurde. Natürlich gibt es auch Zugeständnisse an die heutige Zeit: Für die moderne Küche entstand ein Anbau, auf dem künftig eine Dachterrasse Platz finden wird. Die gläserne Eingangstür und die roten Holzfenster zeigen außerdem, wie harmonisch sich Neues in alte Substanz fügt. So ist das Haus mit der Nummer 14, Buschstraße, heute schöner denn je.
Apropos Buschstraße: So heißt dieser Straßenzug erst seit 1939. Nachdem die Faule Grube verschwunden war, bekam 1875 dieser Teil der Altstadt den wesentlich klangvolleren Namen Wladimirstraße. Namensgeber war der russische Großfürst und Zarensohn Wladimir Alexandrowitsch, den Marie von Mecklenburg-Schwerin, eine Tochter des Großherzogs Friedrich Franz II., 1874 geheiratet hatte. Den slawischen Namen tilgten später die Nazis aus dem Stadtplan: Jetzt erhielt die Straße den Namen des Mecklenburger Architekten Johann Joachim Busch (1720-1802), nach dessen Plänen in Schwerin das Säulengebäude am Markt und das Neustädtische Palais entstanden waren.