Lebensart
Frauentag – und wie weiter?
Rote Rosen, Pralinen, Likörchen – lange Zeit schien es, als würden sich Frauen nur das zum Frauentag wünschen. Oder dieses so leicht dahingesprochene „Lass Dich heute mal richtig feiern!“ Hä? Wieso ausgerechnet heute? Was ist mit den anderen 364/365 Tagen? Lohnt es sich an denen nicht, mir zu sagen, dass ich toll bin oder muss einmal im Jahr reichen? So oder ähnlich könnte frau jetzt denken. Zumindest, wenn sie die nach fester Choreographie abgeworfenen Blumensträuße nebst Glückwunschreden männlicher Zeitgenossen betrachtet, die wenn’s schlecht läuft, sogar noch über die WhatsApp-Familiengruppe eintrudeln – wahlweise mit Blumen-Bildchen.
Gleichberechtigung
Dem wahren Hintergrund des Aktionstages wird das alles nicht gerecht. Beim ersten offiziell stattfindenden Frauentag 1911 gingen Frauen für soziale und politische Gleichberechtigung auf die Straße. Viel hat sich seitdem schon zum Besseren gewendet. Frauen dürfen wählen und gewählt werden. Sie dürfen ohne Einwilligung des Ehemannes arbeiten gehen und ein eigenes Konto haben. Dürfen Auto fahren. Nach der Hochzeit ihren Namen behalten (auch wenn es nicht viele tun). Errungenschaften, die heute selbstverständlich klingen, sind manchmal noch gar nicht so lange Realität. Das mit dem Führerschein ohne männliches Abnicken zum Beispiel seit 1958 – und damit gerade einmal 60 Jahre länger als in Saudi-Arabien, das 2018 als letztes Land Frauen den Zugang zur Fahrerlaubnis ermöglichte. Bis 1977 mussten Ehefrauen in der Bundesrepublik ihre Männer um Erlaubnis bitten, bevor sie einen Job annahmen.
In der DDR wurde die Beschäftigung von Frauen zwar gefördert, schon allein, um dem ständigen Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken. Die meisten Frauen waren voll berufstätig, die Kinderbetreuung geregelt. Allerdings zumeist zum Preis weiblicher Doppelbelastung durch Familie und Beruf. Dass der so genannte Haushaltstag bis auf wenige Ausnahmen nur Frauen mit Kindern zustand, zeigt, dass mit Männern in diesem Segment gar nicht gerechnet wurde. Auch in den obersten DDR-Machtgremien gab es nur wenige Frauen.
Zurück ins Heute – welche Forderungen sind offen geblieben? Seit 1980 existiert das Gesetz zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz. Trotzdem verdienen Frauen laut Statistischem Bundesamt immer noch rund 21 Prozent weniger als Männer. Dazu kommt, dass sie mehr Familienarbeit leisten, wegen der Betreuung von Kindern oder der Pflege von Angehörigen verkürzt arbeiten und überdurchschnittlich oft im schlecht bezahlten Dienstleistungsgewerbe tätig sind – das spüren Frauen finanziell bei der Rente.
Gürtellinie
Ein weiterer Punkt, der seit 2017 durch die #MeToo-Bewegung verstärkt in den Fokus der Wahrnehmung rückt: Frauen sind weit häufiger als Männer Alltagssexismus und sexueller Belästigung bis hin zum Missbrauch ausgesetzt. Übrigens: Erst seit 1997 ist in Deutschland Vergewaltigung in der Ehe strafbar. 2018 wurden 122 Frauen in Deutschland von ihrem Partner oder ehemaligen Partner getötet, von den im gleichen Jahr registrierten Fällen häuslicher Gewalt betrafen 81 Prozent Frauen.
Auch online werden Frauen deutlich häufiger angegriffen als Männer. In den sozialen Medien reicht das von Beschimpfungen aus der untersten Schublade über die Androhung sexueller Gewalt bis hin zu Morddrohungen. Die Fälle von Politikerinnen wie Renate Künast und Journalistinnen wie Dunja Hayali sind Beispiele für Online-Attacken unter der Gürtellinie.
Aber auch Frauen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, erleben im Netz aggressive Beleidigungen, Abwertung und deutliche Drohungen.
Genderstern
Außerdem erhalten Frauen viel mehr Bemerkungen zu ihrem Aussehen als Männer. Wenn Männer auf dem Kopf Grau tragen – kein Problem. Als Moderatorin Birgit Schrowange plötzlich das Haarefärben einstellte, füllten Zeitungen damit ganze Seiten.
Es wäre noch viel zu sagen. Darüber, dass Kosmetikprodukte und Dienstleistungen für Frauen oft teurer sind. Darüber, dass Berlin den Internationalen Frauentag inzwischen zum Feiertag erklärt hat und auch Männer mitmachen dürfen. Und über den Genderstern und das Ringen um eine geschlechtergerechte Sprache, was oft so ins Lächerliche abdriftet, dass Frauen und Männer es gemeinsam seltsam finden.
Glückwünsche
Aber was ist nun mit den roten Rosen? Nur einmal im Jahr abgeliefert wirken sie wie ein seltsames Relikt ritualisierter Glückwunschhandlungen. Ansonsten sind Blumen jederzeit schön. Und ob Männer sie Frauen schenken oder Frauen Männern sollte in Zeiten der Gleichberechtigung nun wirklich keine Rolle mehr spielen.
Katja Haescher