Land
Vom Badekarren zur Strandmuschel
Ein Sommertag, ein Meer, ein Strand und alle planschen fröhlich durcheinander – das wäre in früheren Zeiten undenkbar gewesen und weder sittsam noch der Gesundheit förderlich erschienen. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts setzte bei letzterem Punkt allerdings ein Umdenken ein: Dr. Samuel Gottlieb Vogel, Leibarzt des Mecklenburger Herzogs Friedrich Franz I., ermunterte seinen Herrn, doch häufiger mal abzutauchen. Mit Heiligendamm entstand das erste Seebad Deutschlands – gleichzeitig war es auch der Beginn des Badewesens an der Ostsee. Es dauerte nämlich gar nicht lange und auch andere zogen nach. Wismar schickte Badelustige in Wendorf ins Wasser, Boltenhagen und Rerik nahmen parallel zur Entwicklung des Badewesens auch als Orte einen Aufschwung.
In Boltenhagen rollte der erste Badekarren bereits 1803 an den Strand. Und wer jetzt Bade – was? fragt: Da ja die Frage der Sittsamkeit nach wie vor eine wichtige war, gab es eben diese Wagen, die von Pferden ins Wasser gezogen wurden und aus denen der Badegast unbehelligt von fremden Blicken ins Meer glitt. Allerdings nur ins hüfttiefe: Viele Menschen konnten gar nicht schwimmen. Während in Deutschlands erstem Seebad eine mondäne weiße Stadt am Meer entstand, blieb Boltenhagen noch bodenständig. In den ersten Jahren zogen die Einheimischen einfach in die Scheunen und überließen ihre Stuben den Gästen. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden dann die ersten Hotels und Urlauber logierten mit größerem Komfort.
Mit dem Baden entstand auch die Bademode. Während der Bikini heute möglichst viel Haut zeigt, ging es im 19. Jahrhundert darum, möglichst viel zu verdecken. Am Ende waren nach einmal Eintauchen die Klamotten vermutlich nasser als der Badende selbst, einige Damen trugen sogar Schuhe. Und apropos Damen: Das gemeinsame Planschen von Frauen und Männern war natürlich undenkbar. Bei soviel Regelwerk und Sittsamkeit ist es heute regelrecht entspannend, sich am Strand und im Wasser zu aalen. Baderegeln gibt es natürlich trotzdem. Und einige – zum Beispiel die, nicht mit vollem Magen ins Wasser zu springen – kannte bereits Dr. Vogel in Heiligendamm.