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Wo einst Alexandrine den Sommer genoss
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und mehr ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Heute in der Lennéstraße, wo kleine Schlossgeister bes-tens betreut werden.
Aber Moment mal – war das in Schwerin nicht nur ein Schlossgeist mit Namen Petermännchen? Das scheint ein Irrtum zu sein. Schlossgeister heißen auch Hannah und Paul, Frida und August, Malte und Theodor. Insgesamt sind es 60 Mädchen und Jungen, die in der Kita „Schlossgeister“ am Rande des Schlossgartens spielen, toben und musizieren, basteln, malen und lernen. Der Kindergarten mit kunst-ästhetischem Profil ist selbst ein Kunstwerk: Die hohen Fenster der alten Villa reichen fast bis zum Boden, so dass die Fensterbretter als Bänke dienen können. Die alten Bäume im Garten strecken ihre Blätter fast zum Fenster hinein und säuseln zur Mittagsstunde ein Schlaflied. Und der Spielplatz grenzt unmittelbar an Grünhausgarten und Schlossgarten. „Das Haus hat einen wunderbaren Charme und wir genießen die schöne Lage sehr“, sagt Kita-Leiterin Sabine Kötzsch. „Oft sind wir mit den Kindern im Schlossgarten unterwegs oder gehen ins Museum.“
Währenddessen steht die einstige Bewohnerin des Hauses nur wenige Meter entfernt hinter einer kleinen Mauer im Grünhausgarten. Oder besser gesagt: Es ist ihre Statue, die dort steht. Großherzogin Alexandrine hatte das so genannte Greenhouse von ihrem Mann, dem Großherzog Paul Friedrich, als Geschenk erhalten. Das war 1840. Schon einige Jahre zuvor war das Paar von Ludwigslust nach Schwerin gezogen, da Paul Friedrich den Regierungssitz wieder an den Schweriner See verlegte. Man residierte am Alten Garten im so genannten Altstädtischen Palais. Den Frühling verbrachte die Familie jedoch im Grünen – in der Villa am Rande des Schlossgartens.
Bereits 1720 gab es an der Stelle des Greenhouses ein kleines Gärtnerhaus, 40 Jahre später wird ein Palmhaus erwähnt. 1834 ordnete Großherzog Paul Friedrich an, hier einen „Greengarden“ anzulegen. Während der benachbarte barocke Schlossgarten durch eine strenge Symmetrie und klare Linien besticht, zeichnet sich dieser Garten im englischen Landschaftsstil durch gewundene Wege und kleine Baumgruppen aus. Das Greenhouse selbst entstand 1835, zwei Jahre später das heute noch gegenüber liegende Kavaliershaus. Ob Alexandrine hier viel spazieren ging? Bestimmt. Denn die großen Flügeltüren der Villa führen direkt in den Garten.
Neben dem Greenhouse machte Paul Friedrich seiner Frau auch das Kavaliershaus zum Geschenk. 1840 entstand sogar eine gusseiserne Brücke, die beide Gebäude verband und noch auf alten Ansichtskarten zu sehen ist. Diese Brücke wurde während des Zweiten Weltkriegs abgerissen, um das Material für die Rüstung einzuschmelzen.
Als Paul Friedrich 1842 starb, wurde Alexandrines Sohn Friedrich Franz im Alter von 19 Jahren Großherzog. Er stoppte den Bau des Palais, das sich sein Vater auf dem Alten Garten an der Stelle des heutigen Museums errichten lassen wollte und forcierte stattdessen den Umbau des alten Schlosses. 1857 zog er mit seiner Familie ein. Alexandrine nutzte weiterhin lieber das Greenhouse – bis zu ihrem Tod 1892. Da war sie 89 Jahre alt.
Noch heute ist der Saal der Villa ein repräsentativer Raum mit Stuckmedaillons an der Decke. Wo sich einst Gesellschaften trafen, ist jetzt jedoch das Reich der Schmetterlingsgruppe. Eine Wand aus Holz und Glas teilt den Saal, so dass gleichzeitig Gruppenraum und ein kleiner Funktionalraum Platz haben, die alten Strukturen aber trotzdem sichtbar sind. „Bei der Sanierung der Villa wurde sehr behutsam mit dem alten Denkmal umgegangen“, sagt Sabine Kötzsch.
Das Greenhouse wurde im Laufe seiner Geschichte des Öfteren umgebaut. 1851 legte Georg Adolph Demmler hier Hand an, 1883 der Architekt Hermann Willebrand. Das heutige Aussehen des Hauses entspricht zum großen Teil Willebrands Plänen. Zwischen 1906 und 1934 beherbergte das Gebäude verschiedene Mieter. Aus dem Jahr 1941 gibt es eine Notiz über die Außenstelle der Wossidlo-Sammlung im Greenhouse. 1949 ist dann im Schweriner Adressbuch erstmals ein städtischer Kindergarten erwähnt. „Es war der Kindergarten der Landesregierung. So stand es auf einem Schild, das wir auf dem Boden gefunden haben“, sagt Sabine Kötzsch. Seit dieser Zeit beherbergt das Gebäude einen Kindergarten, den 1997 eine Elterninitiatve in freie Trägerschaft übernahm.
Ein Kindergarten in ihrem Greenhouse – Alexandrine hätte es bestimmt gefallen. Die sozial engagierte Fürstin gründete bereits 1829 in Ludwigslust das Alexandrinenstift – den ältesten Kindergarten Mecklenburgs und einen der ältes-ten Deutschlands. Die Einrichtung gibt es noch heute.