Kultur
„Ohne die Bühne werde ich nervös“
„Wenn ich nicht irgendwann auf die Bühne kann, werde ich nervös“, sagt Rock-Legende Toni Krahl lächelnd mit einem Funkeln in den Augen und man weiß sofort, wie ernst er das eigentlich meint. „Ich brauche einfach den Applaus.“
Der wird ihm gewiss sein, wenn er am 7. Dezember zusammen mit seinem neuen Bandprojekt „Die KINX vom Prenzlauer Berg“ die Bühne in der Schweriner Sport- und Kongresshalle rocken wird.
Der Bandname: eine Reminiszenz an den gleichnamigen City-Kultsong der 70er Jahre und damit – wie damals auch City – an seine Heimatstadt Berlin.
„Beim Konzert werden wir schon die City-Fahne wedeln“, versprüht Toni Krahl Vorfreude auf seinen Schwerin-Besuch. Aber auch Titel des neuen Albums „Genauso war‘s“, was im September erscheinen wird, werden dann in Schwerin zu hören sein. „Fünfzehn hab ich momentan in der Mangel, aber vielleicht wird es der eine oder andere nicht ganz rauf schaffen“, gibt sich der Bandleader noch kritisch. Mindestens 12 Songs sollen es aber werden. Der Titelsong des Albums ist dabei eine sehr persönliche Reise durch das Leben Toni Krahls – drei Strophen für drei Ehen. „Da hangle ich mich an meinen Frauen entlang“, gesteht Krahl. „Tolle Ehen, alles hat seine Zeit.“
Insgesamt werde der Sound zwar an City erinnern, sei aber eindeutig mehr Toni Krahl: „Es ist meine logische Fortsetzung von dem, was ich bei City gemacht habe“, sagt er nach einer kleinen Gedankenpause. Besonderes Markenzeichen: Die legendäre Geige wird durch ein Cello, gespielt von Tobias Unterberg, ersetzt. „Meine Stimme ist ja auch ein bisschen tiefer geworden“, schmunzelt Krahl. Zur Band gehören außerdem Ex-Rockhaus-Gitarrist Reinhard Petereit, Schlagzeuger Carsten Klick, der auch schon bei Silly und Joachim Witt getrommelt hat, und der City-Keyboarder Manfred „Manne“ Hennig.
„Nach dem Ende von City brauchte ich eine Beschäftigung“, gesteht der alte und neue Frontmann. Die Gründung der KINX vom Prenzlauer Berg war somit für Krahl nur folgerichtig. „Ich habe kein Hobby und bei Netflix hatte ich auch alles gesehen.“
Selbstverständlich wird beim Schweriner Konzert auch die legendäre City-Hymne „Am Fenster“ zu hören sein. „Vielleicht etwas abgewandelt, aber deutlich wiedererkennbar“, kündigt Krahl die Interpretation des City-Klassikers an. Genau der Song, den jeder auch heute noch mit City verbindet und der der erfolgreichste Ost-Song im Westen ist. Und wie so oft im Leben, spielte der Zufall eine nicht unwesentliche Rolle: Peter Schimmelpfennig, Musikmanager aus dem Westen, hatte ihn bei einer Fahrt auf der Transitstrecke zwischen Berlin und Hamburg auf dem DDR-Radiosender DT64 gehört. Ihm war sofort klar: Den muss man kaufen und auch im Westen rausbringen. Somit nahm er Kontakt zu Amiga auf, der staatsmonopolistischen DDR-Schallplatteninstitution, die den Song bisher jedoch abgelehnt hatte. „Die wollten den Titel nicht haben“, erinnert sich Krahl. „Das Gefiedel wäre grausam, das hat sie gestört.“ Davon war nun keine Rede mehr, lockte ja nun der Mann aus dem Westen mit Devisen für den Osten. „Jetzt sollten wir urplötzlich eine Langspielplatte liefern, waren aber noch gar nicht dran, hätten noch ein bis zwei Fünfjahrpläne warten müssen“, denkt Toni Krahl an die Zeit zurück. „Musiker wie Hauff/Henkler, Chris Doerk oder Frank Schöbel waren da ja noch vor uns an der Reihe.“ Und weil es noch gar nicht genug Titel gab, wurde der Hit „Am Fenster“ zur Maxi-Rille von über 17 Minuten aufgeblasen. Die Platte erschien zeitgleich in Ost und West und City war über Nacht berühmt.
Die Karriere von Toni Krahl begann – wie bei vielen Musikern –schon im Kindesalter. Die ersten musikalischen Band-Erfahrungen sammelte Toni Krahl als Jugendlicher in Schülerbands wie „Wurzel minus vier“ oder „Die Kleinen“. „Wir haben unser Ding gemacht, unser Leben nicht nach Parteitagen ausgerichtet.“ Das hatte Konsequenzen, die auch Toni Krahl zu spüren bekam: „Wir haben gemerkt, dass es auch mal ein Spielverbot für verschiedene Bands gab und dann auch für uns.“
Mit City startetet Toni Krahl dann aber endgültig durch, auch wenn der Start noch verhalten war: „Als ich zur Band gestoßen bin, war City, wie fast alle Bands in der DDR, eine Cover-Band“, erinnert sich Krahl an seinen Einstieg im Jahr 1975. „Wir haben zum Tanz gespielt und uns an Soulmusik orientiert und ich habe mich damals scherzhaft James Brown für die arme Lausitzer Landbevölkerung genannt.“
Die Erfolge ließen aber nicht lange auf sich warten. Insgesamt 15 Millionen Tonträger hat die Band verkauft. Kein Wunder, dass man auch an höchster staatlicher Stelle auf das Schaffen von Toni Krahl aufmerksam wurde. So flatterte im letzten Jahr – kurz vor seinem 75. Geburtstag, ein etwas größerer Briefumschlag mit goldenem Bundesadler ins Hause Krahl. Im Inneren – auf feinem Papier – versteckte sich die Einladung zur Übergabe des Bundesverdienstkreuzes. Mit großen Ehrungen hat es Toni Krahl nicht so, auch wenn er mit City 1987 den Kunstpreis der DDR in Empfang nehmen musste. Deswegen war er anfänglich noch ein bisschen misstrauisch und griff zum Telefonhörer. „Ich hab nachgefragt, wofür ich denn hier gebucht sei“, witzelt Krahl. Doch am anderen Ende wurde ihm dann freundlich erklärt, dass er „das Ding tatsächlich überreicht bekomme“. „Ein tolles Abzeichen“, blinzelt Krahl mit ein wenig Ironie verschmitzt. Aber er hat es angenommen: „Als Auszeichnung für City und unsere beiden verstorbenen Band-Kollegen. Es ist eine Ehre für uns alle“.
Die Vorfreude auf das Konzert in Schwerin ist groß, obwohl er mit City von Buschclub über Halle am Fernsehturm, Freilichtbühne und Sport- und Kongresshalle schon alle Bühnen bespielt hat. „Schwerin ist eine wunderschöne Stadt“, schwärmt der Randberliner. Und er will sich dann im Dezember vorm Konzert auch endlich einen Wunsch erfüllen: „Ich habe das Schloss bisher noch nie von innen gesehen und ein Besuch im Thronsaal würde doch irgendwie zu den KINX passen“, sagt Krahl, lacht und freut sich auf Schwerin, das neue Album, die Probenarbeit und die Umsetzung der vielen Ideen, die noch in seinem Kopf schlummern.
Interview Falk Schettler