15.03.2023

Kultur

Musik, Musik – Von Anfang an

Auch zu Hause gibt es beim Geiger Stefan Fischer immer wieder Musik.
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Stefan Fischer, in Dresden geboren, wuchs er als eines von sechs Kindern in einer Kantorenfamilie auf. Die Mutter wie der Vater hatten sich der Pflege der Kirchenmusik verschrieben. In den siebziger Jahren der DDR umfasste Kantorenarbeit aber auch Religionsunterricht, die Lehre vom Christentum und die Vorbereitung zur Konfirmation. Reichlich gab es Konzerte, Liederabende und Oratorien zu hören. Ständig wurde im Gottesdienst Musik aufgeführt. 
Aufgewachsen im beschaulichen Kurort Bad Schandau, bekam der Vater später eine Kantorenstelle im deutlich größeren Burgstädt, nahe Karl-Marx-Stadt. 1981 siedelten die Eltern nach Magdeburg um. Auch hier wirkten Vater wie Mutter als Kantoren in Kirchengemeinden der industriell geprägten Großstadt. Die Eltern legten Wert auf musikalische Erziehung der Kinder und so bekam Sohn Stefan schon mit fünf Jahren seinen ersten Violinunterricht. Sofort war die Leidenschaft für Saiten und Bogen entfacht! Sein Geigenstudium an der Leipziger Hochschule für Musik „Felix Mendelssohn Bartholdy“ schloss Fischer 1982 mit dem Staatsexamen ab. Und ab da begann das professionelle Musizieren. Die Schweriner Philharmoniker suchten Nachwuchs und nach dem Vorspiel hieß es umziehen in den Norden der Republik. Heute noch hocherfreut erinnert sich der gebürtige Sachse an die Aufnahme im Kollegenkreis der Schweriner Musiker: „Total super, die Kolleginnen und Kollegen waren wirklich sehr bemüht, hilfreich und freundlich“, so Fischer. 

Schon beim Geigenstudium in der Sachsenmetropole Leipzig widmete sich der Liebhaber von Barockmusik der historischen Aufführungspraxis. In Schwerin angekommen, fand Fischer schnell Gleichgesinnte, darunter auch ehemalige Kommilitonen aus Sachsen. Auch sie hatten sich der Pflege und Entdeckung alter Musik verschrieben. 
Es dauerte nicht lange, da gründeten sie mit dem frisch zugezogenen Fischer, ihrem „spiritus rector“, das Ensemble „Musica Instrumentalis Schwerin“. Später folgte als Erweiterung das Mecklenburgische Barockorchester ‚Herzogliche Hof- Kapelle‘. Den Verantwortlichen des Schweriner Kulturbundes ist Stefan Fischer bis heute dankbar. Das Ensemble konnte in ihren Räumen, dem heutigen Sitz der Musikschule Ataraxia, proben. Und sie besorgten auch das für die Barockmusik unverzichtbare Cembalo. Aber mehr noch, die Verantwortlichen im Kulturbund hielten schützend die Hände über die Musiker, die der Kirchenmusik hörbar zugewandt waren.

Stefan Fischer engagierte sich im Kirchengemeinderat des Schweriner Doms, einer der wichtigsten Kirchen in Mecklenburg. Schon Fischers Eltern waren für die damaligen Machthaber zu dicht an der Kirche und der Sohn durfte kein Abitur machen. Wenig überraschend, dass der junge Philharmoniker zwischen 1986 und 1988 seinen Dienst als Bausoldat in der Nationalen Volksarmee leistete. 1989, das Wendejahr, war auch das Jahr des 200. Todestages des Schweriner „Hof- und Capell- Compositeurs“ Johan Wilhelm Hertel. Zum Jubiläum gestaltete Fischer mit seinem Ensemble ein Programm. Er musste sich dazu mit unbekannter Tiefe in die Werke des Namensgebers des hiesigen Konservatoriums einarbeiten.

Ein Wendepunkt in der Arbeit desMusikforschers. Aus dieser Arbeit resultieren im Laufe von fast 35 Jahren Forschung ungefähr 600 Erstaufführungen von „Schweriner Musik“ und mecklenburgischer Werke. Durch zahlreiche Konzerte und Rundfunkaufnahmen machte das Ensemble mecklenburgische Musik weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt. Ständige Spielpraxis und viele öffentliche Auftritte führten dazu, dass sich der Begriff der „Ludwigsluster Klassik“ etablierte. Das besondere am künstlerischen Schaffen von Stefan Fischer ist, dass er fast ausschließlich originale Quellen, also Handschriften und Erstdrucke, nutzt. „Die Bestände der Landesbibliothek Mecklenburg- Vorpommern waren und sind bis heute eine riesige Schatztruhe, in der es noch sehr, sehr viel zu entdecken gibt“, so der Musikforscher. Eine ganz wichtige Lehre hat der erfahrene Forscher aus seiner langen Praxis im Umgang mit Archivalien gezogen: Gedruckte Noten sollte man so lange skeptisch betrachten, bis man das Original gesehen hat. „Überraschungen, was Original und Nachdruck angeht, gab es sowohl in kleinen städtischen Archiven, als auch in wirklich großen renommierten Bibliotheken“, ist die Erfahrung des Experten für alte Musik. 

Neben seinen Verpflichtungen als Geiger in der Staatskapelle erarbeitet Stefan Fischer derzeit drei Konzerte im Rahmen der Festspiele MV in Ludwigslust. Bereits zum Jubiläum der 250. Wiederkehr der Kircheneinweihung der heutigen Stadtkirche zu Ludwigslust im Jahr 2020 war die erste Wiederaufführung der Kircheneinweihungsmusik geplant. 1770 schrieb Carl Westenholtz die Musik dazu. Die Feierlichkeiten fielen coronabedingt aus. Aber Ende Juli ist es soweit. Das größte und bedeutendste Werk der mecklenburgischen evangelischen Kirchenmusik wird erstmalig in seiner Gesamtheit wieder erklingen. Der kommende 17. Juni ist der 460. Jahrestag der Gründung der Mecklenburgischen Staatskapelle Schwerin. Herzog Johann Albrecht I. gegründete das drittälteste Orchester Deutschlands und das Orchester lädt an diesem Tag zu zwei Geburtstags-Konzerten ein. Stefan Fischer ist mit der Vorbereitung befasst und es wird Musik der Staatskapelle des 16. bis 20. Jahrhundert zu hören sein. Der emsige Musiker möchte, auch wenn es kein richtig runder Geburtstag ist, das Jubiläum angemessen würdigen und den Konzertbesuchern musikalische Perlen präsentieren. „Wir machen das jetzt, in diesem Jahr, bis zum 500. Geburtstag will ich nicht warten“, meint der 62-jährige Fischer augenzwinkernd. Peter Scherrer

www.musica-instrumentalisschwerin.de