20.01.2023

Kultur

Frühere Bürgerknabenschule

Einst lernten in der Fritz-Reuter-Schule ausschließlich wohlhabende Kinder des Mittelstands
Aufgrund der eher geringen Grundstücksgröße und der notwendigen Anzahl an Räumen wurde beim Bau der Schule auf Höhe gesetzt.
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal in die Fritz-Reuter-Schule, die einst als Bürgerknabenschule gegründet wurde.

 

Seit 1847 gab es in Schwerin eine sogenannte Bürgerknabenschule, die sich in dieser Zeit, abgesehen von der Höhe des Schuldgeldes, nicht allzu sehr von den städtischen Volksschulen unterschied. Der Lehrplan und das Niveau des Unterrichts waren ähnlich, doch für die etwas höher angesehenen Bürger der Mittelschicht war diese Schule die Lehranstalt der Wahl für ihre Kinder. Denn durch das hohe Schulgeld war sichergestellt, dass ihre wohlbehüteten Kinder nicht in Kontakt mit den aus ihrer Sicht verwahrlosten Schülern und Schülerinnen kamen, die die damaligen Stadt- und Waisenhausschulen besuchten. Diese Angehörigen der Mittelschicht, vornehmlich Handwerker und Kaufleute, gehörten zu großen Teilen dem Vorläufermodell der heutigen Stadtvertretung, dem Bürgerausschuss, an. Aufgrund der Beliebtheit der Bürgerknabenschulen in den Kreisen des Ausschusses, kamen diesen reichlich Fördermittel zu. Mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches im Jahr 1871 und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung, benötigen junge Männer für eine erfolreiche Karriere einen angesehenen Schulabschluss. Daher steckte der Bürgerausschuss erneut umfangreiche Gelder in die Bürgerknabenschulen, erhöhte das Unterrichtsniveau und bot neue Fächer wie Französisch, Englisch, Physik und Chemie an.

Erst im Jahr 1891 zog die Bürgerknabenschule mit damals 1100 Schülern in die Roonstraße (heute Von-Thünen-Straße) um. Aufgrund der eher geringen Größe des Grundstücks setzten der Hagenower Landbaumeister Gustav Hamann und der ausführende Hofbaumeister Lehsten bei dem Bau der Schule auf Höhe. Schließlich mussten insgesamt 15 Klassenzimmer und ein Zeichensaal in den Räumlichkeiten Platz finden. Bei der Einweihung, der auch die damaligen Bürgermeister Bade und Tackert beiwohnten, zeigte sich Schuldirektor Ebeling sehr erfreut über die neuen Räumlichkeiten und spornte seine Zöglinge zu besonderem Fleiß in der neuen Lernumgebung an. Nach einem anschließenden Lied begann der Unterricht. Der Verfasser der Schweriner Stadtgeschichte, Wilhelm Jesse, hegte damals massive Kritik an  Baumeister Hamann, indem er seinen Baustil als wenig ideenreich beschrieb und ihm eine zu starke Orientierung an historischen Vorbildern vorwarf: „Hamann versucht das kastenartig flach gedeckte Gebäude in Backstein mit den Mitteln der Renaissance-Baukunst zu gliedern“.

Mit Baukosten von 130 000 Mark wurde zwar nicht wenig Geld ausgegeben, jedoch wurden einige Sparmaßnahmen getroffen. So gehörte dem Schulgebäude ursprünglich keine Turnhalle an, diese wurde erst 1936 angebaut. Früher fand der Sportunterricht deshalb zwei Mal wöchentlich auf dem Turnplatz am Schelfwerder statt. Des Weiteren musste der Schuldiener, der mit dem Befeuern der Kanonenöfen für das Heizen der Schule zuständig war, in einer kalten und feuchten Kellerwohnung hausen. In den Jahren des ersten Weltkrieges wurde die Schule dann zeitweise als Lazarett benutzt und wurde anschließend für zwei Jahre eine der früher verpöhnten Stadt- und Waisenschulen. Zwischen 1916 und 1945 beherbergte das Gebäude dann eine Mädchenschule, die über die Jahre verschiedene Namen trug, zuerst Volksmädchenschule, dann Mädchenmittelschule und zuletzt Mädchenvolksschule. Nachdem im Zuge des zweiten Weltkrieges der Unterricht unterbrochen wurde, konnte dieser im Oktober 1945 wieder aufgenommen werden. Im gleichen Jahr bekam die Schule den Namen Fritz-Reuter-Schule. Trotz seiner früheren schlechten Schulleistungen ist der Schriftsteller und Dichter bis heute für seine Werke bekannt, die er in Niederdeutsch verfasste und dies als besonderes Stilmittel einzusetzen wusste. Ab 1959 fand in dem Gebäude eine Oberschule mit zehn Klassen Platz. Seit 1991 wird das Gebäude als Grundschule für die Jahrgänge eins bis vier genutzt. Die Innenräume repräsentieren die Geschichte des Hauses durch die traditionellen Holztüren mit Kennzeichnungen in klassischer Schrift. Und auch eine Tafel in Gedenken an den Namensgeber der Schule trägt zum historischen Flair der Räume bei, in denen heute die Allerkleinsten erste Buchstaben und Zahlen lernen.

Laura Piontek