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„Frühe Comics“ im Schloss
Wer einen Rundgang durch das Schweriner Schlossmuseum unternimmt, betritt gleich zu Beginn das Sagenzimmer, einen der früheren sogenannten Gesellschaftsräume. Von manch einem Besucher wird das Zimmer als eine Art Zwischenflur betrachtet und schnell auf dem Weg zum Blücherzimmer passiert. Dabei lohnt es sich, dort ein wenig länger zu verharren, zählt dieser kleine Raum doch zu den interessantesten des Schlosses.
Der Museumsleiter Ralf Weingart sagt: „Wir haben hier eine ganz witzige Bildgestaltung. Die Gemälde über dem Fries zeigen Szenen, die aus mittelalterlichen Dichtungen herausgegriffen wurden. Sie sind ein bisschen angelegt wie frühe Comics; in kurzen Bildunterschriften wird jeweils erläutert, worum es geht.“
Zu den dargestellten Geschichten zählen „Tristan und Isolde“, „Parcival“ und „Gudrun“. Die Bilder stammen von dem Braunschweiger Maler Rudolf Elster, die Texte wurden vom Hofrat zur Nedden ergänzt. Entstanden sind die „Comics“ Mitte der 1850er Jahre, unmittelbar vor der Neueinweihung des Schweriner Schlosses.
Es war eine Zeit, in der sich Teile des Adels und vor allem Bürgerliche aufs Mittelalter zurückbesannen. Weingart erläutert: „Vor allem wurde der Nationalstaatsgedanke aufgegriffen, und es gab eine Bewegung zur nationalen Einigung. Viele meinten im Mittelalter Vorläufer des Nationalstaats zu finden. In dem Zuge wurden auch die Figuren in den Dichtungen aus dieser Zeit idealisiert, und man wollte den mittelalterlichen Rittern nacheifern.“
Die Gestaltung des Sagenzimmers sei etwas Besonderes, weiß Weingart, das in anderen Schlössern so nicht zu finden sei. „Die retrospektive Begeisterung für das Mittelalter, die ins Märchenhafte gezogen wurde, ergibt ein besonderes Stimmungsbild“, sagt er.
Die Geschichten im Sagenzimmer enden immer mit einem positiven Bild. Sogar Gottfried von Straßburgs „Tristan und Isolde“-Version verliert zumindest im Schweriner Schloss seine große Tragik. Vielleicht wurde bei der Gestaltung des Zimmers auch an die Adligen gedacht, die sich in dem Raum vor allem zu diversen eher vergnüglichen Anlässen, zum Beispiel dem Kartenspielen, trafen.
„Ganz toll“ findet Weingart auch das Thronsaal-Apartment. Dazu zählen neben dem Thronsaal selbst die Ahnengalerie und die Schlössergalerie. Diese drei Räume waren die Hauptpräsentationsräume des Großherzogs. Der Museumsbesucher betritt auf seinem Rundgang erst den Thronsaal und geht danach durch die Ahnen- und die Schlössergalerie. Zu Großherzogszeiten war dies genau andersrum. Man steigerte sich sozusagen von Raum zu Raum – der prächtigste war am Ende der Saal mit dem Herrschersitz.
Etwas Außergewöhnliches, worauf die Herzoge und Großherzoge sehr stolz waren, ist die lückenlose Ahnengalerie, begonnen mit den Herzogen aus dem Mittelalter. „Entscheidend für sie war, dass die Familie schon so lange regierte“, sagt Weingart. „Sie gehörte zu den am längsten herrschenden Dynastien Europas.“
Die Gemäldereihe in der Ahnengalerie beginnt mit Albrecht II., der Mitte des 14. Jahrhunderts an der Macht war, und endet mit Ludwig, dem Bruder von Herzog Friedrich dem Frommen. Eine Besonderheit hier ist, dass auch die Frauen der Herrscher portätiert wurden. Die ersten Gemälde sind Fantasieabbildungen, da man nicht wusste, wie die frühesten Ahnen wirklich ausgesehen haben. Die meisten Bilder gelten aber als authentisch.
Porträts finden sich übrigens auch im Sagenzimmer. Rudolf Elster stellte in den Lücken zwischen den Szenen die historischen Dichter dar. Walter von der Vogelweide findet sich da ebenso wie Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg und Hartmann von der Aue. Er malte die Herren so, wie sie ausgesehen haben könnten und wie er sie sich vorstellte. Wer im Sagenzimmer genau hinschaut, entdeckt sie.
www.mv-schloesser.de