14.06.2023

Stadt

Schwerin ist eine bunte Stadt

Sebastian Witt (40) ist Vorstandsmitglied des CSD Schwerin.
like-imagelike-image
share email
dislike-imagedislike-image

Am 1. Juli wird mit einer bunten Parade in Schwerin für rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung von queeren Menschen demonstriert. Warum sind Veranstaltungen wie der Christopher Street Day (CSD) wichtig?
Die Öffnung der Ehe, die Rehabilitation der unter Paragraph 175 Verurteilten, all das sind wichtige Errungenschaften der vergangenen Jahre. Jedoch beziehen sie sich auf die gesetzlichen Ebene – sie müssen aber auch in den Köpfen aller Menschen ankommen. Veranstaltungen wie der CSD zeigen, dass wir Teil dieser Gesellschaft sind und deshalb sind sie so wichtig. Wenn ich mich an meine Jugend erinnere, an das Gefühl, der Einzige im Dorf zu sein, dann zeigt der CSD heute, wie groß das Netzwerk geworden ist. Junge Menschen, die ihr Coming Out erleben, können sich hier in einem geschützten Raum informieren, es ist aber auch eine Gelegenheit, gemeinsam zu feiern und auch mal zu flirten.

Warum tun sich einige Menschen so schwer damit, Vielfalt zu akzeptieren?
Vorurteile beruhen oft auf fehlendem Wissen. Viele Menschen setzen sich erst mit dem Thema auseinander, wenn es sie berührt: vielleicht durch Freunde, vielleicht durch die eigenen Kinder. Ältere haben noch die Zeit erlebt, in der Homosexualität strafbar war, verpönt war, ausgegrenzt wurde, das wirkt natürlich nach. Aber es gibt auch ein konservatives Spektrum, das gezielt Ängste schürt und mit Kommentaren in sozialen Medien unheimlich schnell zur Stelle ist.

Wie fördert der Verein Aufklärung und Prävention?
Wir unterstützen den Klub Einblick, der unter anderem Beratungen für queere Menschen anbietet. Das Gleiche gilt für den neu gegründeteten Verein TiM*, der die Interessen von trans* und inter* Menschen in Mecklenburg vertritt. Ziel ist öffentliche Aufmerksamkeit und Solidarität, unter diesem Motto steht der diesjährige CSD. Ehrenamtlich engagieren wir uns dafür, dass Netzwerk immer weiter zu knüpfen, damit diejenigen die Problemehaben und diejenigen, die Rat geben können, zueinander finden. Gefragt war unsere Unterstützung auch während Corona: Menschen, die Wahlfamilien haben, mit denen sie ganz eng sind, durften sich nicht sehen, weil dies nicht der Definition von Angehörigen entsprach. Da hat sich in der zweiten Coronawelle einiges zum Besseren geändert, auch durch unseren Protest.

Der CSD-Veranstaltungskalender in den kommenden Wochen ist gut gefüllt, worauf freuen Sie sich am meisten?
Ich freue mich auf das Freitagscafé unmittelbar vor dem CSD. Das ist immer wie ein großes Familienfest, weil so viele Freunde aus ganz Norddeutschland kommen, die uns ehrenamtlich bei der Veranstaltung unterstützen und mit uns feiern. Und ich freue mich auf den Sonntagabend, wenn alles gut über die Bühne gegangen ist und ich hier das Büro abschließen kann. Es gibt aber auch andere Veranstaltungen, die mir sehr wichtig sind: die Kranzniederlegung an der „Mutter“ zum Beispiel, mit der wir der queeren Opfer des NS-Regimes gedenken und die Ausstellung „We Are Part Of Culture“, die aktuell im Schleswig-Holstein-Haus zu sehen ist. Der CSD ist nämlich nicht schrill, sondern bunt, laut und politisch.

Was sind Ihrer Meinung nach wichtige Zutaten für eine lebenswerte Stadt?
Dass sie tolerant und weltoffen ist und jeder Mensch so leben kann, wie er ist. Schwerin ist eine bunte Stadt und ich hoffe, dass es auch in Zukunft so bleibt.
Interview: Katja Haescher