18.05.2012

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Das Tor zur Stadt

Demmlerbau an der Ausfahrtsstraße nach Güstrow ist heute Sitz des Bauverbandes
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und mehr ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Heute in einem Gebäude, an dem einst Durchreisende ihre „Accise“ entrichten mussten: im Torhaus in der Werderstraße 1.
Wer das Bürohaus in der Werderstraße 1 betritt, hat meist mit dem Baugewerbe zu tun. Und wer etwas vom Bauen versteht, wird das Gebäude gebührend zu bewundern wissen: Historische Bausubstanz und moderne Sachlichkeit vereinen sich in der Hauptgeschäftsstelle des Bauverbandes MV aufs Schönste. Das Torhaus an der Ausfahrtsstraße nach Güstrow ist ein Stück altes Schwerin, das mit einem neuen Büroanbau im 21. Jahrhundert angekommen ist. „Wir haben die Sanierung so vorgenommen, wie wir es selbst erwarten würden“, betont Hauptgeschäftsführer Jörg Schnell. Ziel sei es gewesen, ein historisches Gebäude zu erhalten und zum Aushängeschild für die Baukunst zu machen.
Das war gar nicht so leicht. Denn als der Baugewerbeverband das Gebäude 1999 kaufte, war es „sanierungsbedürftig bis marode“.
Diagnosen wie Schwamm und mangelhafte Statik machten das Projekt zusätzlich zur Herausforderung. Mitarbeiterin Marion Findeisen kann sich gut an diese Phase erinnern. Sie hat mit Fotos aus der Zeit der Bauarbeiten eine Dokumentation zusammengestellt, die zeigt, wie aufwändig es war, das in die Jahre gekommene Haus in das heutige Schmuckstück zu verwandeln. „Details wie die runden, mit Ziergittern versehenen Fenster im Obergeschoss wurden dabei natürlich erhalten“, sagt sie.
Mit seinen Rundbogenfenstern, den Stuckelementen und dem säulengeschmückten Eingang ist das Torhaus, das noch eine „Schwester“ auf der gegenüberliegenden Straßenseite hat, eines der markantesten Gebäude an der Ausfahrtsstraße nach Güstrow. Es wurde 1840 nach Entwürfen des Hofbaumeisters Georg Adolph Demmler errichtet. Hintergrund war der zunehmende Durchgangsverkehr in Schwerin. Um wirtschaftlich davon zu profitieren, umgab sich die Stadt mit einem Wall. Im Gegensatz zu mittelalterlichen Anlagen hatte er keinen Befestigungscharakter, sondern sollte die Taschen der Durchreisenden fürs Stadtsäckel öffnen. Für den Zugang zur Stadt und den Warendurchgang wurde eine indirekte Steuer, die „Accise“, erhoben, die in den Torhäusern bezahlt werden musste. Somit bildeten die Gebäude – wie der Name schon sagt – das Tor zur Stadt. Sie standen an den Kontrolldurchlässen, an denen Reisende den bis zu fünf Meter hohen, bewachten Erdwall passieren konnten.
Allerdings bestand der Wall nur bis etwa 1850: Nach Aufhebung der Binnenzölle und dem Wegfall der Accise waren die Torhäuser plötzlich ohne Funktion. An der Ausfahrtsstraße nach Güstrow blieben sie aber erhalten und bekamen andere Nutzungen. So war das Gebäude, das heute den Bauverband beherbergt, zeitweise Wohnhaus und sogar Kindergarten.
Überraschungen während der Sanierung im Jahr 2000 gab es beim Abriss einer Baracke auf dem Grundstück. Dabei kamen alte Grabsteine des benachbarten Schelffriedhofs ans Tageslicht. Diese Anlage, in der heute noch einige historische Grabmale zu sehen sind, wurde zwischen 1771 und 1929 als Begräbnisplatz genutzt. Der kleine Park grenzt an das Grundstück des Torhauses.
Apropos klein: Weil die Größe des historischen Gebäudes nicht reichte, um allen Aufgaben des Bauverbandes gerecht zu werden, erhielt das Torhaus den modernen Büroanbau mit zusätzlichen 300 Quadratmetern Nutzfläche. Hauptgeschäftsführer Jörg Schnell weiß, wie wichtig das Gebäude für die Mitgliedsunternehmen auch als Tagungs- und Veranstaltungszentrum ist. Schließlich vertritt der Bauverband als Arbeitgeber-, Fach- und Wirtschaftsverband des Baugewerbes mehr als 300 Firmen aus dem ganzen Land. Veranstaltungen wie der „Schweriner Bauklön“ im August haben bereits Tradition und locken zahlreiche Gäste in die moderne Begegnungsstätte mit historischem Charme.