16.09.2022

Stadt

Auf der Reise in die Vergangenheit

Janine Sielaff zeigt die Darstellung einer Silbermünze aus dem 16. Jahrhundert – es ist einer ihrer bisher wertvollsten Funde.
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Janine Sielaff engagiert sich ehrenamtlich in der Fachgruppe Archäologie Schwerin-LUP

Archäologie – das klingt für die einen nach Heinrich Schliemann und Howard Carter, für die anderen nach Indiana Jones. Und immer klingt es irgendwie spektakulär nach Geheimnis und Abenteuer. Der Alltag von Janine Sielaff als ehrenamtliche Bodendenkmalpflegerin hat damit weniger zu tun. Er spielt sich nicht in Troja ab, sondern auf dem mecklenburgischen Acker. Doch auch
hier gibt es spannende Entdeckungen, wird die Reise in die Vergangenheit zum Abenteuer. Seit 2009 ist Janine Sielaff Mitglied der Fachgruppe Archäologie Schwerin-Ludwigslust-Parchim. „Wir haben eine tolle Mischung, sowohl vom Alter als auch vom Know-how“, schwärmt sie von den Menschen, mit denen sie ihr Hobby teilt. Ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger sind regelmäßig zur Feldbegehung unterwegs. Sie suchen nach neuen Fundplätzen und schauen nach den bekannten, säubern Hinweisschilder und schneiden Turmhügel frei. Dabei arbeiten sie eng mit dem Landesamt für Kultur und
Denkmalpflege zusammen – Voraussetzung für die Ernennung zum ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger ist eine Qualifizierung. Und natürlich Begeisterung für die Spuren der Ur- und Frühgeschichte. Diese war auch für Janine Sielaff das Eingangstor in die Welt der Archäologie. „Natürlich sind es anfangs auch naive Vorstellungen“, sagt sie und erzählt die Geschichte ihrer ersten Feldbegehung: „Ich habe damals Hände voller Feuersteine gesammelt, von denen ich dachte, dass sie Bearbeitungsspuren aufweisen, vielleicht mal ein Stück von einem Steinbeil waren. Ich war so stolz – und die Experten haben mir bis auf den letzten Stein alles aussortiert.“ Seitdem hat Janine Sielaff viele Erfahrungen gesammelt, gelernt, den Blick geschärft. Bearbeiteter Flint übt immer noch eine große Faszination auf sie aus: „Dass da vor 8000 bis 10.000 Jahren jemand gesessen hat und genau den gleichen Gegenstand in der Hand hatte wie ich heute, das ist aufregend“, sagt sie. Andere Gegenstände liegen in der Zeit noch nicht so weit zurück – und gehen ihr manchmal sehr nah. Bei der Untersuchung des ehemaligen Lagergeländes eines Konzentrationslagers haben die Gruppenmitglieder mehrere Häftlingsmarken
gefunden. „Das ist kein schöner, aber ein wichtiger Fund“, sagt die 43-Jährige. Denn anhand der Marken lassen sich heute noch weiße Flecken in Biografien füllen, erhalten Nachkommen Gewissheit über das Schicksal ihrer Angehörigen.
Um so mehr macht es Janine Sielaff zornig, wenn sich Raubgräber an Fundstätten zu schaffen machen. Eine Sonde zum Aufspüren von Metallgegenständen ist schnell angeschafft – „und dann werden Fundstücke oft für schmales Geld bei ebay verkauft und sind für die wissenschaftliche Auswertung unwiderbringlich verloren“, sagt die Bodendenkmalpflegerin. In der Corona-Zeit habe das „Sondeln“ stark zugenommen. Und viele Ehrenamtliche verbringen nun unfreiwillig ihre Zeit damit, die Raubgräber in die Schranken zu weisen. Vor diesem Hintergrund warten sie auch auf die schon lange angekündigte
Novelle des Denkmalschutzgesetzes und darin auf ein eindeutiges Verbot privater Ausflüge mit dem Metalldetektor. „In Schleswig-Holstein ist das klar formuliert,was zur Folge hat, dass so mancher von dort nach MV kommt, um hier zu sondeln“, sagt die Mecklenburgerin. Das Hobby hat ihren Blick auf viele Dinge verändert, es trägt auch im Alltag dazu bei, unter die Oberfläche sehen zu wollen. Als wohltuend empfindet Janine Sielaff den Kontakt zu Gleichgesinnten. „Wenn ich zu Hause erzähle, dass ich einen Spinnwirtel gefunden habe, heißt es aha, sehr schön, in der Gruppe dagegen sind alle total aus dem Häuschen“, sagt sie lachend.
Apropos gefunden: Auch Janine Sielaff hat schon Entdeckungen gemacht, bei denen das Herz zu puckern begann. Ganz sicher gehört dazu die Silbermünze von 1573, ein preußisch-brandenburgischer Taler, der ein Brustbild des brandenburgischen Kurfürsten Johann Georg zeigt. Insofern ist ihr Hobby ein guter Ausgleich zu ihrem Bürojob – die Verkehrsfachwirtin leitet den Bereich Seefracht Import bei der Spedition Scan-Shipping GmbH in Hamburg und wohnt unter der Woche in der Nähe der Hansestadt. Am Wochenende zieht es sie aber regelmäßig nach Dümmer, wo sie zu Hause ist. Gerade haben auch die Feldbegehungen Hochkonjunktur, weil die Ernte eingefahren ist und die Äcker frei sind. Dann stiefeln die Mitglieder der Fachgruppe, die sich übrigens mit entsprechenden Dokumenten als ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger ausweisen können, wieder los. So halten es Ehrenamtliche aus der Region Schwerin-Ludwigslust seit 50 Jahren – so lange gibt es die Fachgruppe
Archäologie bereits. Vor zwei Jahren erhielt sie den Friedrich-Lisch-Denkmalpreis.
Katja Haescher