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Lesen öffnet die Türen in andere Welten
Am 15. Novemver ist bundesweiter Vorlesetag. Was lieben Sie persönlich am Lesen – und was am Vorlesen?
Lesen bedeutet für mich, Realitäten kennenzulernen, die nicht meine eigenen sind. Ich mag es, Dinge aus Büchern mitzunehmen, die mich zum Nachdenken bringen – nicht als Flucht vor meinem Alltag, sondern als Tür in andere Leben. Beim Vorlesen mag ich das Ritual – sich die Zeit nehmen, Ruhe in den Alltag bringen, Gesprächseinstiege finden. Aber auch Geborgenheit, Sicherheit, auf der einen Seite Bekanntes wieder vorlesen und die Freude im Kind zu sehen, auf der anderen Seite Neugierde wecken, wenn es darum geht, eine neue Geschichte zu entdecken. Im besten Fall erzeugen wir Erlebnisse, die als grundlegende Erinnerung erhalten bleiben.
Was zeichnet eine gute Vorlesegeschichte aus?
Dass sie Spaß macht! Alles andere wie Stil, Inhalt und Illustrationen ist absolut subjektiv. Wichtig finde ich ganz persönlich, dass hier auf die Wünsche und Bedürfnisse des Kindes eingegangen wird.
Ihre Empfehlung für eine tolle Vorlesegeschichte?
Nur eine? Wie schade! Im Moment: „Buchstabenhausen“. In kurzen gereimten Texten lässt sich damit das Alphabet kennen lernen. Ansonsten mag ich Sammlungen von Vorlesegeschichten unterschiedlichster Art, zum Beispiel „Mit Katz und Maus und Drachen auch“. Das ist der diesjährige Sammelband zum Bundesweiten Vorlesetag. Oder, da ja bald die Weihnachtszeit beginnt: „Die Bilderbuchbande feiert Weihnachten“.
Wie sieht es bei den Erwachsenen aus – was lesen Männer gern, was Frauen? Haben Sie einen Weihnachtsgeschenketipp für sie und einen für ihn?
Hhm, klar gibt es Bücher, die eher Frauen oder eher Männer ansprechen. Ich finde es viel spannender, Geschichten zu finden, für die ich viele Menschen begeistern kann. Deshalb ein Tipp, der von einer Frau geschrieben ist und mich begeistert hat: Sarah Winman – „Das Fenster zur Welt“. Eine Kunsthistorikerin fährt im Sommer 1944 nach Italien, um die vorrückenden Alliierten bei der Sichtung und beim Schutz der Kunstwerke zu unterstützen und trifft dabei auf einen jungen britischen Soldaten. Eine Begegnung, die beide nicht loslässt und für die kommenden Jahrzehnte ihr Leben beeinflusst. Und ein Tipp für ein Buch von einem Mann geschrieben: Maxim Leo – „Wir werden Jung sein“. An der Charité wird ein Medikament zur Verjüngung des Herzmuskels entwickelt. Mit ungeahnten Folgen für die Umwelt der Teilnehmer und gleichzeitig der Auslöser einer Debatte über philosophische und moralische Folgen der Möglichkeit, den Alterungsprozess zu stoppen.
Erinnern Sie sich an Ihr erstes Lieblingsbuch?
Ich erinnere mich sehr lebhaft an „Mädchenjahre“ von Marianne Lange-Weinert, über die Kinder- und Jugendjahre der Tochter von Erich Weinert. Bis heute lese ich gern Biografien, Briefe, Tagebücher. Und „Die rote Zora und Ihre Bande“ – eine Geschichte über ein Mädchen und ihre Erlebnisse, die soweit von meinem eigenen Leben entfernt waren, wie es nur geht. Und hier schließt sich der Kreis.
Interview: Katja Haescher