Leute
Händler mit Leib und Seele
„Sind Sie am Donnerstag da? Ich brauche einen Blumenstrauß.“ „Jo“, antwortet Peter Grabbert. Und eigentlich ist es Formsache, denn am Dienstag und Donnerstag ist er immer da. Da muss es schon stürmen oder aus Kannen gießen, damit der silberne Transporter nicht auf dem Wochenmarkt in der Weststadt hält.
Jetzt im Sommer sind es vorrangig Stauden, die er dann aus dem Auto räumt. Sonnenhut, Salbei, Sommerflieder. „Als ich mit den Blumen anfing, bin ich bei einigen Namen noch ins Schwitzen geraten“, sagt der 60-Jährige. Heute bewegt er sich zielsicher zwischen Phlox und Akelei. „Ich hab‘s mir beigebracht, das ganze Leben ist schließlich ein Lernprozess“, sagt er.
Lernen musste der Mecklenburger in seinem Leben immer wieder neu. Der gelernte Maschinenschlosser arbeitete später in der Landwirtschaft und wagte nach der Wende als Händler den Sprung in die Selbstständigkeit. „Damals waren wir mit Waren des täglichen Bedarfs auf den Wochenmärkten“, erinnert er sich. „Es war ja auch eine verrückte Zeit, in der alles drunter und drüber ging.“ Nach Hamburg, wohin so viele pendelten, wollte Peter Grabbert nicht täglich fahren. Die Tochter war noch klein, er hatte gerade erst geheiratet, dazu kamen Haus und Hof. Als Markthändler war er ein Nischenplayer, einer, der sich auf wechselnde Bedürfnisse einstellen konnte. Mit der Zeit entwickelte er ein Gespür dafür, was die Menschen suchten. So wurden die Blumen – anfangs zweites Standbein – zum Hauptgeschäft.
Selbstständig zu sein heißt aber auch: selbst und ständig. Peter Grabbert kann sich kaum daran erinnern, seit der Wende krank gewesen zu sein. Montags holt er aus Hamburg die Ware, dann geht es an vier folgenden Tagen auf den Wochenmarkt. „Die Abwechslung ist schön“, sagt der Blumenhändler – wenngleich das Open-Air-Geschäft natürlich übers Jahr kein kontinuierliches ist.
Manchmal gibt es Stoßzeiten – zum Beispiel im Frühling, wenn alle die Gartenbeete und Balkone bepflanzen wollen: „Zehn Kohlrabi, zwei Kürbisse und eine Petunie. Ach ja, und dann noch zwei Geranien und eine Gurke ...“ - da muss der Mann am Blumenwagen schon aufpassen, dass er nicht durcheinanderkommt. Vor allem deshalb, weil er alle Preise im Kopf addiert.
Herausfordernd sind die Tage, an denen es regnet und stürmt oder die Temperaturen nach unten sacken. „Kälte ist auf dem Wochenmarkt am schlimmsten“, sagt Peter Grabbert. An solchen Tagen trägt er mehrere Kleider übereinander und stellt die Füße notfalls auf ein Stück Styropor.
Zahlreiche Stammkunden kennt er mit Namen, gerade in der Weststadt wohnen viele Alteingesessene. Aber auch dieser Markt hat sich verändert. Den Markthändler stört es zum Beispiel, wenn an der Bus–haltestelle der Müll herumliegt. Und auch, dass er seinen Stand mit Flatterband absperren muss, ist ihm nicht unbedingt recht. „Ich kann aber keine Selbstbedienung ermöglichen, dann nehme ich zu viele kaputte Pflanzen mit zurück“, sagt er und viele, wenn auch nicht alle Kunden haben dafür Verständnis.
Ist der Markttag vorbei, die nicht verkaufte Ware im Auto und der Platz gefegt, geht es zur zweiten Schicht: zur Nachbehandlung. Zu Hause werden die Pflanzen jetzt getaucht und gegossen, das dauert manchmal bis in den Abend. Aber Peter Grabbert hat den Ehrgeiz, dass es am nächsten Tag wieder perfekt aussieht. „Vielleicht habe ich das von meinem Opa Paul, der war gelernter Gärtner“, mutmaßt der gelernte Schlosser.
Apropos Schlosser: Sind die empfindlichen Blumen versorgt, wendet sich der Mecklenburger handfesteren Dingen zu. Peter Grabbert ist Schrauber mit Leib und Seele. Er liebt alte Landmaschinen wie den Lanz Bulldog und weiß, wie er sie wieder flott bekommt. Ganze Oldtimertreffen hat er bereits organisiert – und er freut sich darüber, dass sein Sohn in seine Fußstapfen tritt. Gern ist er in der Freizeit auch mit dem Motorrad unterwegs, wenngleich: Viel Freizeit ist es nicht. Da ist der Mann mit dem Hang zum Praktischen froh, dass seine Frau im gemeinsamen Unternehmen zum Beispiel den Papierkram übernimmt.
Auf die Rente angesprochen, sagt der 60-Jährige: „Was soll ich da? Ich arbeite gern.“ Schließlich genießt er es, unter Leuten zu sein und wenn nicht gerade Pflanzzeit ist, bleibt ja auch Zeit für den einen oder anderen Schnack.
Nur manchmal ist es schwer. Wenn es schon morgens dauerregnet und der Markt-Profi weiß, dass sich nicht viele Menschen aus dem Haus wagen werden. Er fährt dann trotzdem los, weil er keinen Kunden verprellen möchte. „Denn vielleicht“, sagt Peter Grabbert, „braucht ja jemand ausgerechnet an diesem Tag einen Blumenstrauß.“
Katja Haescher