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Fürs Musizieren in der Gemeinschaft
Seit 30 Jahren bereichern die Schelfoniker das Schweriner Kulturleben. Das Laienorchester des Schweriner Konservatoriums vereint Menschen, die Spaß am Musizieren haben. „Am Musizieren in der Gemeinschaft“, unterstreicht Achim Schuster. Er hat das Ensemble vor 30 Jahren gegründet – und stand auch beim Jubiläumskonzert vor einigen Tagen noch einmal am Pult.
Die „Geburt“ der Schelfoniker fällt in die bewegte Zeit nach der Wende. Alles war im Umbruch, Menschen sortierten ihr Leben neu –und es gab viele neue Möglichkeiten. Die Gründung eines Orchesters war eine davon, auf einen ersten Aufruf meldeten sich zwölf Musiker. „Ein paar Streicher, eine Querflöte und eine Posaune, zu wenig für ein Orchester“, erinnert sich Achim Schuster. Aber schon nach relativ kurzer Zeit gab es 30 Leute, die mitmachen wollten. Die Einladung zur ersten Probe am 4. März 1993 schrieb der neue Leiter noch mit der Schreibmaschine. Dank der Anbindung ans Konservatorium stand der Saal zur Verfügung und auch ein passender Name war nach einer „gepfefferten Bierrunde“ gefunden. Gern denkt Achim Schuster an das erste vorweihnachtliche Konzert im Saal des Konservatoriums. Der damalige Bürgermeister Johannes Kwaschik sicherte sich die Schelfoniker bei dieser Gelegenheit gleich fürs anstehende Feuerwehrjubiläum –und von da an führte eins zum anderen.
Die Schelfoniker wurden zur Heimat für Menschen, die ihr Instrument wieder regelmäßig in die Hand nehmen wollten oder einfach nicht von handgemachter Musik lassen konnten. Achim Schuster erzählt eine passende Anekdote: „Eine ehemalige Sängerin an der Berliner Staatsoper kam im Ruhestand nach Schwerin zurück und suchte ein Ensemble. ,Ich kann singen und Klavier spielen‘, sagte sie mir und ich sagte: ,Beides brauchen wir nicht.‘ Als ich dann auf ihre Frage: ,Was brauchen Sie dann?‘ mit ,eine Bratschistin!‘ antwortete, nahm sie Unterricht und saß nach kurzer Zeit bei uns im Orchester. Sie spielte noch Bratsche, als sie schon über 80 war.“
Achim Schuster ist inzwischen selbst 83 – und auch er sitzt heute in den Reihen der Schelfoniker bei den zweiten Geigen. Die Leitung des Orchesters hat er inzwischen an Matthias Ellinger abgegeben, trotzdem ist der Terminkalender des Schweriners weiterhin randvoll.
Oft geht es dabei um Musik, denn die begleitet ihn schon sein ganzes Leben. Als Mitglied des Domchors in Stendal erlebte der junge Achim die Aufführung großer Chorwerke: der Matthäus-Passion, der Johannes-Passion, des Weihnachtsoratoriums. Das Zusammenspiel im Orchester faszinierte ihn. „Mein Vater war – passend zu unserem Familiennamen – Schuhmacher und ich bin als 13-Jähriger in seine Werkstatt gestürmt und habe ihm gesagt, ich möchte Geige spielen. Ihm fiel erstmal der Hammer aus der Hand“, erzählt der Schweriner. Dennoch lag beim nächsten Weihnachtsfest unter dem Baum eine Violine – und Schusters erster Gedanke war: Du meine Güte, jetzt musst du täglich üben“. Nach der Ausbildung an der Fachgrundschule für Musik in Wernigerode und später in Magdeburg wechselte der gesamte Abschlussjahrgang an die Fachschule für Musik nach Schwerin. „Das war nicht unser Wunsch, sondern eine Entscheidung von ganz oben. Schnell stellten wir aber fest, dass es in Schwerin ein ganz tolles Orchester gibt, dessen Mitglieder auch den Instrumentalunterricht übernahmen“, sagt Schuster.
Nach dem Studium ging er an das Orchester des Theaters Wismar, das dann aber wegen der räumlichen Nähe zu Rostock und Schwerin aufgelöst wurde. Zu diesem Zeitpunkt leistete Achim Schuster seinen Grundwehrdienst und erfuhr davon – nichts. „Ich kam nach Schwerin zurück und hatte plötzlich keine Orchesterstelle mehr“, erinnert er sich und auch daran, dass die damals eilig gesuchte Notvariante – Lehrer – ihm dann doch Spaß machte. Er holte die pädagogischen Abschlüsse und den Hochschulabschluss nach und war bis zum Rentenbeginn 2005 als Lehrer für Violine, Bratsche, Kammermusik und Orchesterleitung und als Fachberater für Violine am Konservatorium in Schwerin tätig. Viele seiner einstigen Schüler sitzen heute in großen Orchestern, einer ist ein renommierter Geigenbauer geworden. Und dann sind da noch diejenigen, die einen ganz anderen Beruf gelernt haben und irgendwann doch ihr Instrument wieder in die Hand nehmen. Einige von ihnen finden sich auch in den Reihen der Schelfoniker.
Für deren Jubiläumskonzert hatte Achim Schuster unter anderem ein Werk von Telemann für Orchester bearbeitet, das er auch selbst dirigierte. Dazu kam eine Toccata a-Moll von Georg Gothe, einem einstigen Schweriner Domkantor. Das zeigt auch die Verwurzlung der Schelfoniker in Schwerin – und die enge Verbindung von deren Gründer zu einer Stadt, die ihm in vielen Jahren zur musikalischen Heimat geworden ist.
Katja Haescher