18.10.2024

Leute

Der Mann mit dem Glühwein

Harald Raab betreut bereits in der fünften Saison das „Glühschiff“ am Anleger der Weißen Flotte
Harald Raab freut sich schon auf den Beginn der Flotten Weihnacht - „auf die Gespräche und die glücklichen Gesichter“, wie er sagt.
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„Einen Moment“, sagt Harald Raab, „ich setze mir noch schnell die Mütze auf, damit die Leute mich auf dem Foto erkennen.“ Die bunte Häkelmütze ist sein Markenzeichen. Er trägt sie immer, wenn er am Schlossanleger vor dem Glühschiff die heißen Getränke verkauft. Und natürlich wärmt sie auch die Ohren, wenn der Wind über den Schweriner See pfeift. Am 1. November öffnet dort am Anleger der Weißen Flotte die „Flotte Weihnacht“ und Harald ist mittendrin. Es ist die fünfte Saison und er ist von Anfang an dabei.

Kein Wunder also, dass ihn manchmal Leute ansprechen, die er gar nicht kennt: Na, gibt’s dieses Jahr wieder Glühwein? „Wir haben viele Stammkunden“, freut sich der 66-Jährige. Da gibt’s dann zu den Getränken auch Gespräche. „Eine ältere Dame kam jeden Tag – und dann plötzlich zwei Wochen lang gar nicht. Sie war bei ihren Kindern, hat sie mir anschließend erzählt und ich habe ihr gesagt: Da müssen Sie mir nächstes Mal aber vorher Bescheid geben, sonst mache ich mir doch Sorgen!“, sagt er lachend. Zu den Stammgästen kommen viele Urlauber, die Steg und Fahrgastschiff im Schein der Lämpchen von der Schlosspromenade und dem Burggarten aus entdecken und neugierig sind. Natürlich gibt Harald Raab auf Bitten hin auch Empfehlungen, wo man hingehen kann in dieser Stadt und schnell kommt von den Gästen die Frage: „Wo kommen Sie eigentlich her?“ Es ist der fränkische Dialekt, der ihn verrät – auch wenn der gebürtige Würzburger schon lange nicht mehr in Bayern lebt. Seit 2010 wohnt er in Schwerin, seine Frau stammt von hier. Ihm gefällt, dass die Stadt auf kurzen Wegen alles bietet und malerisch ist sie natürlich auch, wenngleich mit einem großen Makel: Es gibt keine Berge. „Das viele Wasser in Schwerin ist schön, aber ich würde mir niemals ein Boot kaufen!“, sagt der Mann, der Jahr für Jahr das Glühschiff betreut.

Schon seit jeher ist Harald Raab gern draußen unterwegs. „Mit 16, 17 war ich mit meinem Bruder klettern, bei Wanderungen sind wir auf 2000, 3000 Meter hoch“, erzählt er. Noch als er schon in Berlin wohnt, fährt er manchmal übers Wochenende zum Skifahren in die Berge. Inzwischen haben sich die Outdoor-Aktivitäten etwas verlagert. Es geht weniger in die Höhe und weniger schnell nach unten. „Skiabfahrten mache ich nicht mehr“, sagt der Freiluftfan, der sich selbst als „Sonnenschein-Fahrer“ bezeichnet: „Auch auf Skiern bin ich eher der Genießer.“ Zum Glück lässt sich ja auch der Norden wandernd genießen – wenn schon nicht in den Bergen, dann eben am Wasser: „Meine Frau und ich sind mal an einem Sonntag früh aufgewacht und haben gesagt: Was machen wir heute? Laufen wir doch einfach mal um den Innensee“, erzählt Harald Raab von einer dieser Wanderungen. Außerdem ist da noch das Wohnmobil, mit dem das Paar in den warmen Monaten nahezu jedes zweite Wochenende unterwegs ist. Mecklenburg-Vorpommern kennt der gebürtige Bayer inzwischen besser als viele Einheimische: Campingplätze, die noch Geheimtipps sind, versteckte Plätze an Seen, die schönsten Ecken an der Ostsee.

Als er noch gearbeitet hat – als Leiter des Forderungsmanagements einer Krankenkasse – war das Draußensein der Ausgleich zum Job. Jetzt ist der Job Ausgleich: Als Rentner freut sich Harald Raab im Herbst und Winter auf die Arbeit an der Flotten Weihnacht. „Ich mag die Gespräche und die freudigen Gesichter“, sagt er. Gleichzeitig muss er einräumen, dass er selbst von Weihnachten gar nicht mehr so viel mitbekommt. Es sei denn, es ist weiß: „Das schönste Wetter für die „Flotte Weihnacht“ ist bei Kälte, Schnee und Sonnenschein, vorzugsweise an einem Sonntag“, sagt der Mann vom Glühschiff.

Und apropos Glühschiff: Manchmal ist auch ein Bergfreund gern mit dem Boot unterwegs – wenn zum Beispiel die beiden Söhne mit ihren Familien aus Süddeutschland zu Besuch kommen. Neben der Bootspartie gibt es dann auch andere Touren – der eine Enkel ist begeistert von der Schweriner Straßenbahn, ein anderer von der SAS. „Müllautos sind für ihn das Größte, sein Berufswunsch steht schon fest“, sagt der vierfache Großvater, der diese Familienbesuche – obwohl anstrengend – immer sehr genießt.

Anstrengend werden auch die kommenden Wochen. Wenn der Steg vor dem Glühschiff wieder im Lichterglanz leuchtet und Harald Raab die bunte Wollmütze über die Ohren zieht. Weihnachten kommt irgendwie immer schneller als man denkt.


Katja Haescher