13.02.2009

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Sport als Tablette?

Therapieerfolge auch mit Hilfe von Trainingsprogrammen möglich
Das Team der Sportund
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Psychische Erkrankungen nehmen immer mehr zu. Welchen Einfl uss hat Bewegung auf deren Heilungsprozess? Wir sprachen mit Prof. Dr. med. Andreas Broocks, Ärztlicher Direktor der Carl-Friedrich-Flemming- Klinik der HELIOS Kliniken Schwerin.

Sie sind über die Grenzen Deutschlands hinaus als Sportpsychiater bekannt – warum?

Ich habe mich bereits während meiner Facharztausbildung intensiv mit der Frage beschäftigt, ob sich psychische Symptome durch ein regelmäßiges Ausdauertraining beeinfl ussen lassen. Zuvor hatte ich in meiner Dissertation experimentell nachweisen können, dass körperliche Aktivität zu einer vermehrten Bildung und Ausschüttung von Serotonin und anderen Neurotransmittern in bestimmten Teilen des Gehirns führt. Bei Patienten, die unter Panikattacken und ausgeprägtem Vermeidungsverhalten, häufi g mit sozialem Rückzug litten, führte das von uns entwickelte therapeutische Sportprogramm innerhalb von zehn Wochen zu einer signifi kanten Rückbildung der Angstsymptomatik. Die Effekte waren durchaus vergleichbar mit der Wirkung von Medikamenten oder einer Verhaltenstherapie. Ausdauertraining scheint das vegetative und das zentrale Nervensystem zu beeinfl ussen. Die Menschen werden durch das Training weniger schreckhaft und trauen sich wieder mehr zu. Bei Marathonläufern konnten wir nachweisen, dass ein bestimmter Serotoninrezeptor im Gehirn, der an der Entstehung von Angstgefühlen beteiligt ist, unempfindlicher wird. Im Gegensatz dazu ist dieser Rezeptor bei Patienten mit einer Panikstörung überempfindlich. 

Antidepressive Wirkung.

Bei welchen psychischen Erkrankungen kann ein regelmäßiges Training hilfreich sein? Die meisten Studien wurden bei Patienten mit depressiven Erkrankungen durchgeführt. Es kann mittlerweile als bewiesen gelten, dass Ausdauertraining – wahrscheinlich auch andere Sportarten wie z. B. Krafttraining – antidepressiv wirkt. Die zweitwichtigste Indikation für Sport als Therapie sind aus meiner Sicht die Angststörungen, gefolgt von den Suchterkrankungen. Körperliche Aktivität ist auch für eine Reihe von neurologischen Erkrankungen therapeutisch wirksam.

Klar im Kopf.

Vielen Menschen ist heute ja klar, dass sie mit Sport sehr viel für ihre Gesundheit tun könnten, leider werden sie durch ihren „inneren Schweinehund“ immer wieder daran gehindert. Was tun? Man sollte sich fragen: Welche Sport- und Bewegungsarten sind für mich möglich? Welche Vorund Nachteile gibt es? Was könnte mir Spaß machen? Günstig ist, wenn man mit einem Sporttherapeuten oder einem sporterfahrenen Arzt darüber sprechen kann. Es gibt viele Vorurteile und Irrtümer. Viele meiner Patienten haben anfangs geglaubt, dass sie gar nicht laufen können. Das stimmt nicht. Wenn nicht gerade schwere Herz- oder Gelenkerkrankungen vorliegen, kann fast jeder eine Ausdauersportart wie Joggen, Walking oder Fahrradfahren betreiben. Entscheidend ist, dass man mit kleinen Schritten beginnt und sich dann jeden zweiten Tag etwas steigert.

Keine Wirkung ohne Nebenwirkungen!Gibt es auch Gefahren, auf die man Patienten vor demTraining hinweisen sollte?

Walking oder der langsame Dauerlauf sind im Vergleich zu anderen Sportarten nur mit sehr geringen Risiken für die Gesundheit verbunden. Im Zweifelsfall sollte vorab eine internistische Untersuchung, am besten mit Belastungs- EKG, erfolgen. Sehr häufi g sind vorübergehende Beschwerden am Bewegungsapparat. Hier ist in der Regel ein gezieltes Krafttraining erforderlich, um die Gelenke zu entlasten. Bänder und Gelenke brauchen relativ lange, bis sie sich auf die erhöhte körperliche Aktivität eingestellt haben. Bei anhaltenden Beschwerden sollte natürlich ein Orthopäde konsultiert werden. Aus psychiatrischer Sicht besteht die größte Gefahr darin, dass man glaubt, man könne mit Sport alle Probleme lösen. Bei bestimmten psychischen Erkrankungen ist es unbedingt erforderlich, dass auch eine medikamentöse und/oder eine psychotherapeutische Behandlung begonnen werden. Es wäre fahrlässig, sich dann nur auf Sport und Wellness verlassen zu wollen.