Kultur
Die Schönheit des Wartens
Wer ist hier eigentlich verrückt? Hanako, die täglich zum Bahnhof läuft, um nach dem abwesenden Geliebten Ausschau zu halten und die schon als „Mad Girl“ in der Zeitung steht? Jitsuko, die Hanako für sich beansprucht und in deren Warten eine ständige Bedrohung fühlt? Oder Yoshio, der Geliebte, der nach drei Jahren Abwesenheit plötzlich wieder in der Tür steht und meint, nun würde alles gut?
Die Kammeroper „Hanjo“ in der M*Halle lotet menschliche Abgründe aus. Das Werk des zeitgenössischen japanischen Komponisten Toshio Hosokawa feierte Ende November eine mit viel Beifall bedachte Premiere und verlangte dem Publikum zuvor einiges ab: Neugier. Unbefangenheit. Hörbereitschaft. Belohnt wurde dies mit einem Klang, der vielfach die Grenzen des Gewohnten bricht. Wenn die Musik anhebt, scheint die Natur zu klingen. Es wispert und weht, vibriert und schrammt – faszinierend, welche Töne die Musiker der Mecklenburgischen Staatskapelle unter Leitung von Aki Schmitt ihren Instrumenten entlocken. Lediglich die traditionellen japanischen Windglocken sind eine Erweiterung des westlichen Instrumentariums.
Die Solisten Anna Cavaliero, Hanna Larissa Naujoks und Martin Gerke bewegen sich souverän in diesen Klangräumen, immer wieder gehen Sprache und Gesang ineinander über und unterstreichen die eingefrorene Lebenswelt. Wunderbar auch das Bühnenbild: Die überdimensionale Porträtbüste Hanakos zeigt erstarrte Sehnsucht, für die es außerhalb der eigenen Gedankenwelt keine Entsprechung mehr gibt.
„Hanjo“ verspricht ein spannendes musikalisches Erlebnis, ein Eintauchen in eine neue musikalische Welt. Oder anders ausgedrückt: in eine Welt, die eben oft auch anders ist, als man sie zu kennen glaubt.
Katja Haescher
Weitere Aufführungen: 18. und 25. Januar 2025 um 19.30 Uhr in der M*Halle.