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Leidenschaft für die Lewitz
Tags zuvor hat er eine Reisegruppe auf den Darß begleitet, um den dortigen Kranichzug zu beobachten. An diesem Sonntagmorgen nun begrüßt Ralf Ottmann eine Handvoll Leute an der Wiesenmeisterei in Tuckhude. In dem 1862 erbauten Gebäude befand sich einst das Verwaltungsgebäude des herzoglichen Hofes für die Lewitz. Heute wohnt hier der 45-jährige Lewitz-Ranger, der die weite Niederungslandschaft südlich von Schwerin wie kaum ein anderer kennt. Trotz „schottischen Wetters“ hat der gebürtige Ludwigsluster beste Laune mitgebracht. Raus in die Natur geht es heute. Das hat ihm schon als zwölf-, dreizehnjähriger viel Spaß gemacht. Und dabei ist es geblieben. Gleichgesinnten die Natur zeigen, wie diese sie selbst vielleicht nicht sehen können, hat sich Ralf Ottmann bei seinen Ranger-Touren auf die Fahne geschrieben. Doch er will auch immer wieder deutlich machen, wie „verletzlich die Natur ist“.
Im Oldtimer-Bus des Fahrschullehrers Helmut Bollow aus Warlow gibt es erste Erläuterungen über das Naturschutzgebiet „Fischteiche der Lewitz“, das einst von Menschenhand geschaffen wurde, seit 1969 unter Schutz steht und die Naturfreunde heute durchstreifen wollen. Mit seinen 32 Fischteichen umfasst es eine Schutzgebietsfläche von 1732 Hektar und ist wohl die größte zusammenhängende Teichanlage in Europa. Ohne Genehmigung darf es nicht betreten werden, stellt Ralf Ottmann klar. Denn die Fischteiche sind Brut-, Rast-, Nahrungs- und Schlafgewässer für unzählige, unter Naturschutz stehende Vogelarten. Einen lebhaften Eindruck davon gibt es gleich an der ersten Station am Neuhofer Karpfenteich. Die werden vom Unternehmen Lewitz Fisch bewirtschaftet. Damit die dreisömmrigen Karpfen abgefischt werden können, lassen die Fischer das Wasser aus den Teichen langsam ab, erläutert Ralf Ottmann. Die so entstehenden Schlickflächen sind ein bestens gedeckter Tisch für Seeadler, Grau- und Silberreiher, Eis und Brachvögel, Bekassinen und Kiebitze, Nordische Gänse, Schwäne und Kraniche.
An den Karpfenteichen, die für Ralf Ottmann „Perlen des Naturschutzgebietes“ sind, ist an diesem Morgen „viel Betrieb“. Auffliegende Gänseschwärme interpretiert der Ranger als Indiz für aktive Seeadler, die an diesem Herbsttag leicht an Fisch kommen. „Gänse jagen macht er gerne“, sagt Ralf Ottmann und hat wenig später einen jungen Seeadler in einer abgestorbenen Schwarzpappel entdeckt. Mit seinem speziellen Fernrohr, das die Vogelwelt auf das 40-fache vergrößert, zoomt er „seine Majestät“ gestochen scharf heran und erläutert, dass dem Jungvögel die markanten Kennzeichen der Altvögel wie weißer Schwanz und dunkelgelber Schnabel noch fehlen. Weiter geht es entlang der Teiche. Nun ist es ein Schwarm Lachmöwen und zahlreiche Vogelschnepfen, die die Aufmerksamkeit der Gruppe auf sich ziehen. Tausende Kiebitze, einstmals ein Charaktervogel der Lewitz, ziehen über uns hinweg. Später können Singschwäne und eine ganze Ansammlung von Silberreihern ausgemacht werden.
Immer ist es Ralf Ottmann, der die Vögel als erster sieht, hört und sie identifiziert. „Ist das nicht eine Pracht“, begeistert er sich, steckt seine Begleiter mit seiner Bewunderung an und startet zu einer ausführlichen Erklärung, wie in der Natur alles mit allem zusammen hängt. Die Exkursionsmitglieder hängen an seinen Lippen, aus mancher Frage entspinnt sich ein interessanter Disput.
Nachvollziehbar wird, warum es Ralf Ottmann nach seiner Tischlerlehre nicht lange in der Werkstatt ausgehalten hat. Er muss raus ins Freie, muss unter Leute, muss sich begeistern können. Heute verdient sich der junge Mann als Fotograf, Naturführer und Autor sein täglich Brot, rückt Hochzeiten und Familienfeste ins richtige Licht. Doch fast noch lieber zieht es ihn mit der Kamera in die Natur. Zahlreiche Fotoausstellungen und diverse Publikationen sind auf diese Weise entstanden. In diesen Tagen beispielweise stellt er vielerorts seinen neuen Bildband über die Lewitz vor.
Ralf Ottmann genügt es nicht, die Natur abzulichten. Deutlich und engagiert spricht sich der ehrenamtliche Naturschutzwart für deren Schutz aus. „Früher konnte ich im Herbst Tausende Goldregenpfeifer beobachten. Jetzt bin ich froh, wenn ich mal 20 sehe“, erzählt er. „Wir brauchen für die Lewitz den Naturparkstatus. Es ist die einzige Chance, der Ausräumung und Zerstörung dieser Kulturlandschaft entgegen zu wirken“, betont er mehrmals. Und wie zum Beweis führt er die Gruppe zur Stör-Wasserstraße, eine von Stiel-Eichen gesäumte, einzigartige Baumallee in Mecklenburg. Die teilweise über 250 Jahre alten Bäume sind kostbare Fledermausquartiere und für ihn immer wieder „ein unvergessliches Naturerlebnis. „Da habe ich Ehrfurcht. Da bekomme ich Gänsehaut“, sagt er. Und wird – zusammen mit anderen – auch weiter für deren Erhalt streiten.
Mehr Informationen unter:
www.lewitz-rangertour.de
und www.lewitzfotograf.de.
Das neue Buch über die Lewitz stellt Ralf Ottmann am 15. November in Neustadt-Glewe (18 Uhr, Alte Burg), am 21. November in Crivitz (19 Uhr, Stadtbibliothek) und am 4. Dezember in Parchim (19 Uhr, Stadthalle) vor.