18.09.2015

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Eigenbedarf an der Wohnung

Wann haben Vermieter ein „berechtigtes Interesse“? Interview mit Rechtsanwalt Daniel Alff
Rechtsanwalt Daniel Alff
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Sehr geehrter Herr Alff, immer wieder kommt es zwischen Mietern und Vermietern zum Streit über sogenannte Eigenbedarfskündigungen. Was ist hierunter zu verstehen?
Der Vermieter kann ein Mietverhältnis nur kündigen, wenn er an der Kündigung ein berechtigtes Interesse hat. Ein solches berechtigtes Interesse für eine Kündigung hat der Vermieter dann, wenn er die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. In diesen Fällen ist der Vermieter dann zu einer Kündigung berechtigt.

Einfach ausgedrückt, nur wenn der Vermieter in der Wohnung wohnen will, darf er kündigen?
Nein, ein solches „berechtigtes Interesse“  ist beispielsweise auch dann gegeben, wenn der Vermieter die Wohnung ausschließlich für seine berufliche Tätigkeit oder die eines Familienangehörigen nutzen will (BGH, Urteil v. 26.09.2012, Az VII ZR 330/11), also Büroräume einrichten will. Auch die Nutzung als Zweit- oder Stadtwohnung berechtigt zur Kündigung (BVerfG, Beschluss v. 23.04.2014, Az. 1 BvR 2851/13).
Dabei ist auch grundsätzlich zu respektieren, welchen Wohnbedarf der Vermieter für sich oder seine Angehörigen als angemessen ansieht. Die Gerichte sind nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters zu setzen. Eine Prüfung durch die Gerichte erfolgt nur dahingehend, ob der Eigennutzungswunsch ernsthaft verfolgt wird und ob er von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen ist (BGH, Urteil v. 04.03.2015, AZ: VIII ZR 166/14).

Was hat der Vermieter bei einer Eigenbedarfskündigung zu berücksichtigen?

Wenn der Vermieter wegen Eigenbedarf kündigen möchte, muss er dies in der Kündigung begründen. Es reicht aber, wenn der Vermieter die Person bezeichnet, für die die Wohnung benötigt wird, und das Interesse darlegt, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat (BGH, Urteil v. 06.07.2011, VIII ZR 317/10). Darüber hinaus hat der Vermieter natürlich die Kündigungsfrist zu beachten, die bei Mietverhältnissen, die länger als acht Jahre andauern, neun Monate, zwischen fünf und acht Jahren sechs Monate und in allen übrigen Fällen drei Monate beträgt.

Gibt es eine Frist zwischen Einzug des Mieters und der Eigenbedarfskündigung, die der Vermieter beachten muss?
Nein, eine solche Frist gibt es nicht. Der Vermieter, der bei Abschluss des Mietvertrages aber bereits entschlossen ist oder zumindest erwägt, diese alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen, setzt sich mit einer später hierauf gestützten Eigenbedarfskündigung zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch, so dass die ausgesprochene Eigenbedarfskündigung wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam ist (BGH, Urteil v. 04.02.2015, VIII ZR 154/14). Das bedeutet jedoch nicht, dass der Vermieter eine sogenannte „Bedarfsvorschau“ vornehmen muss oder den potentiellen Mieter auf die Möglichkeit eines Eigenbedarfes hinzuweisen hat, wenn dies nicht abzusehen ist. Der Vermieter hat jedoch auf Nachfragen wahrheitsgemäß zu antworten.

Was passiert, wenn sich herausstellt, dass ein Eigenbedarf nicht oder nicht mehr existiert?
Wenn der Vermieter einen Eigenbedarf nur vortäuscht, macht er sich in den meisten Fällen nicht nur schadensersatzpflichtig, sondern auch wegen Betruges strafbar. Eine Schadensersatzpflicht gilt auch dann, wenn der Mieter aufgrund der Eigenbedarfskündigung freiwillig auszieht oder der Eigenbedarf nach der Kündigung wegfällt und der Vermieter den Mieter hierauf nicht hinweist.
Der Mieter hat dann einen Anspruch, die Wohnung wieder zu beziehen. Sollte dies nicht möglich oder nicht gewollt sein, hat der Mieter einen Schadensersatzanspruch in Geld. Dieser Anspruch umfasst beispielsweise die Maklerkosten, die Rechtsanwaltskosten, die Umzugskosten, Renovierungskosten für die neue Wohnung, Kosten für die Ummeldung der Telefon oder Kabelanschlüsse und Aufwendungsersatz für Wohnungsbesichtigung aufgewendete Urlaubszeit (LG Karlsruhe, Urteil v. 25.08.1994, 5 S 185/94). Daneben kann der Mieter jedoch auch die Mehrkosten, die ihm durch die Anmietung einer Wohnung gleichen Wohnwertes, gleicher Qualität und gleicher Ausstattung wie die geräumte Wohnung entstehen, geltend machen (LG Berlin, Urteil v. 24.06.1988, 64 S 30/88).
Es ist daher sowohl für den Vermieter vor Ausspruch der Eigenbedarfskündigung als auch für den Mieter nach Erhalt einer Eigenbedarfskündigung ratsam, sich fachkundigen Rat einzuholen.

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