18.08.2017

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Die Welt mit anderen Augen sehen

Die Kunsthistorikerin Antje Schunke leitet seit April 2016 das Schleswig-Holstein-Haus
Die 41-Jährige lebte bereits in Berlin, Paris sowie Sankt Petersburg und fühlt sich nun auf dem Land in Mecklenburg pudelwohl. Foto: S. Krieg
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Was Antje Schunke an der Kunst so spannend findet? „Die Welt mit anderen Augen zu sehen“, sagt sie. „Die Freiheit der Interpretation fand ich immer sehr beruhigend, während mir die Naturwissenschaften zu festgelegt sind: eins plus eins ist immer zwei. Und bas­ta!“ In Halle (Saale) geboren und groß geworden hatte sie die Gelegenheit, an der Kunsthochschule auf Burg Giebichenstein an Malkursen der dortigen Studenten teilzunehmen; sie zeichnete, malte, stand auch ab und zu Modell.

„Ich habe mich in dem Künstler-Milieu einfach wohlgefühlt“, sagt sie. Obwohl oder vielleicht auch gerade, weil zu Hause bei ihren Eltern die Kunst keine so große Rolle spielte. Jedenfalls studierte sie nach dem Abitur ab 1997 viereinhalb Semester lang an der Freien Universität Berlin Kunstgeschichte. Aber warum nicht gleich Kunst? „Die Kreativität der Künstler hat mich so fasziniert, dass ich mich lieber mit den Künstlern und deren Kunst befassen wollte, als selbst Kunst zu erschaffen“, begründet sie.
Sie habe es auch zu keiner Zeit bereut, nicht selbst an der Staffelei zu stehen oder hinter der Kamera. Es sei schön, Beruf und Interessen vereinbaren zu können. „Und ich lerne als Historikerin viel von der Welt kennen, weil ich oft verreise“, fügt sie hinzu.

Für ihre Studien-Abschlussarbeit weilte sie drei Monate in Sankt Petersburg, wo sie zum Thema „Rainer Maria Rilke und die russische Kunst“ forschte. Noch heute schwärmt sie von der Metropole an der Newa: „Das ist so eine tolle Stadt mit vielen Museen und vor allem netten großherzigen offenen Menschen. Ich hätte mich gern noch länger dort aufgehalten und war sehr ­traurig, als ich wieder wegziehen musste.“
Nach dem Studium blieb sie in Berlin und absolvierte erstmal ein wissenschaftliches Volontariat bei der Berlinischen Galerie, einem Museum für Moderne Kunst. Von 2005 bis 2007 ging‘s dann in die nächste Millionenstadt: In Paris koordinierte sie das Atelier des Künstlers Jochen Gerz.

Und nun ist sie in der Provinz gelandet: Seit 2010 lebt sie mit ihrem Partner und inzwischen zwei Söhnen in einem Dorf bei Neukloster. Der Liebe wegen zog sie hierher, weg aus ihrem Berlin, in dem sie sich so sehr zu Hause fühlte.
Zum Glück fand sie sofort einen neuen Job: als Kuratorin für das Fotofestival „Horizonte“ in Zingst. Das passte auch insofern gut, als Fotografie ihr bevorzugtes Genre ist. Allerdings die viele Fahrerei: jeden Tag über 100 Kilometer hin und wieder zurück. Als ihr zweiter Sohn zur Welt kam, ging das alles gar nicht mehr. Nach anderthalb Jahren gab sie die Stelle auf und kuratierte freiberuflich Ausstellungen an verschiedenen Orten unseres Landes. „Das war groß­artig, weil ich auf diese Art die meck­lenburgische Kunst kennen lernen konnte“, sagt sie.

Der Auftrag für die 23. Kunstschau des Künstlerbundes MV in Mestlin führte Antje Schunke zur nächs­ten festen Stelle: Sie leitete ab 2013 den Künstlerbund MV, wirkte aber weiterhin nebenbei als Kuratorin, hauptsächlich für die Kunsthalle Rostock.
Und das war auch ihre eigentliche Leidenschaft: Ausstellungen ma­chen, inhaltlich arbeiten. Als die Stadt einen neuen Leiter oder eben eine neue Leiterin für das Opens external link in new windowSchleswig-Holstein-Haus suchte, bewarb sie sich und wurde nicht zuletzt deshalb genommen, weil sie das Haus bereits gut kannte und ganz konkrete Visionen hatte. Klar, der Künstlerbund hat dort sein Büro. Aber sie hatte in dem Haus auch schon Ausstellungen organisiert, zum Beispiel 2012 eine Retrospektive zum Schaffen des Schweriner Fotografen Walter Hinghaus. „Ich wusste, wie das Schweriner Publikum tickte und hatte schon viele konkrete Ideen, zum Beispiel zur Nutzung des wunderschönen Gartens“, erinnert sie sich. Seit April 2016 ist Antje Schunke nun Chefin des Schleswig-Holstein-Hauses.
„Ich finde sehr wichtig, dass es ein offenes Haus ist für Schweriner und die Gäste der Landeshauptstadt. Und ich möchte es verjüngen, also viel für Kinder, Jugendliche und Familien anbieten“, sagt sie zu ihren Plänen.

Wenn sie in der Stadt unterwegs ist, zu Terminen oder so, dann gern flink auf ihrem Mifa-Klapprad. Fit hält das Radeln ja sowieso. Sie sagt: „Ich bin leidenschaftliche Radfahrerin, habe als Studentin schon Touren in aller Herren Länder unternommen.“ Und kürzlich hat sie zum ersten Mal ihre beiden Jungs, sechs und acht Jahre alt, mit auf eine Fahrradreise genommen. Auf zwei Rädern sieht man die Welt ja ebenfalls mit anderen Augen. S. Krieg