18.05.2018

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Die Mecklenburger Highlanderin

Anna Kummerlöw spielt weltklasse Dudelsack und ist Lehrerin an der Niels-Stensen-Schule
Ganz schön schottisch: Anna Kummerlöw im traditionellen Kilt und mit ihrer Great Highland Bagpipe Foto: S. Krieg
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Opens external link in new windowAnna Kummerlöws erster Auftritt bei den Highland Games in Schottland war einer mit Knalleffekt. Heute kann sie darüber lachen, damals, 2011, fand sie‘s nicht so witzig: „Ich stand auf einer Plattform und spielte, und plötzlich wurde direkt neben mir mit einer Pistole der Sprint gestartet. Ich habe so einen Schreck bekommen, dass ich mich verspielt habe und aus der Wertung herausfiel.“ Wer in Schottland Dudelsack spiele, müsse sich an so etwas gewöhnen, zu beschweren brauche man sich jedenfalls gar nicht erst.

Anna ließ sich durch so einen kleinen Schuss sowieso nicht aus der Bahn hauen, immer wieder nahm sie an den Highland Games teil – bis sie es schließlich im September vergangenen Jahres auf den Gipfel schaffte: Goldmedaille! Ein Bild der Medaille hat sie sich auf die Innenseite ihres linken Unterarms tätowieren lassen. Sie bildet nicht nur ein schönes Motiv für ein Tattoo, das sie an dieser Stelle gern haben wollte; auf diese Art ist die Medaille auch stets bei ihr. Annas Vater Hans-Joachim „Jochen“ Kummerlöw schenkte ihr zum 16. Geburtstag die erste Tätowierung. Inzwischen ist ein Großteil von Annas Körper mit Tattoos verziert.

Jochen Kummerlöw zählte zu den Mitbegründern der deutschen Bagpipe-Szene. Bei den Auftritten seiner Gruppe, der Hamburg Caledonian Pipeband, war Anna oft dabei. „Mir reichte es irgendwann nicht mehr, immer nur daneben zu stehen“, erinnert sie sich, „also habe ich meinen Vater gefragt, ob er es mir nicht beibringen kann, Dudelsack zu spielen.“ Das machte er gern; wahrscheinlich hatte er auf diese Frage insgeheim schon gewartet.

Da war Anna Kummerlöw elf. Sie lernte ruckzuck und eifrig. Schnell war der Zeitpunkt gekommen, an dem ihr Vater sie musikalisch nicht mehr voranbringen konnte. So fuhren beide zusammen nach Glasgow, wo sie eine Woche lang am National Piping Center Unterricht nahm. Schottland darf sie mittlerweile wohl als ihre dritte Heimat bezeichnen. Ihre erste ist Hamburg.

In der Hansestadt wurde sie geboren und lebte dort, bis sie zehn war. Ihr Vater kannte die Gefahren der Großstadt nur zu gut und wollte seine Familie, besonders die Kinder, davon möglichst fernhalten. Als er mal geschäftlich in Meck­lenburg zu tun hatte, kam er auch durch das Dorf Kladrum (zwischen Crivitz und Parchim), wo er ein leer stehendes Haus entdeckte, in das er sich sofort verliebte. Es wurde gekauft und saniert; die Familie Kummerlöw zog im Jahr 2000 samt Oma und Opa dort ein.

Anna besuchte fortan die Schule in Parchim, die sie 2008 mit dem Abitur beendete. Danach studierte sie in Rostock auf Lehramt. „Ich wollte schon immer Lehrerin werden“, sagt sie, „eigentlich Musiklehrerin. Aber dafür hätte ich zwei Instrumente spielen müssen, der Dudelsack wurde leider nicht anerkannt.“ Sie habe sich zwar noch im Klavier- und Geigespielen versucht, es aber bleiben lassen. Es wäre zu viel Zeit fürs Üben draufgegangen, die ihr dann beim Dudelsacktraining gefehlt hätte. Sie entschied sich also für Latein und Englisch – Sprachen waren auch immer ihr Ding.

Nachdem sie zunächst im Fridericianum lehrte, wechselte sie mit Beginn des Schuljahres 2017/18 an die Niels-Stensen-Schule. Dies sei die beste Schule, die sie je kennen gelernt habe. Die 28-Jährige schwärmt: „Hier werden Nächs­tenliebe und Inklusion wirklich gelebt, keiner wird zurückgelassen. Der Raum der Stille, in den man sich zurückziehen kann, sowie die kleinen täglichen Rituale, die es hier gibt, schaffen eine ganz besondere Arbeitsatmosphäre.“

Jedesmal in den Sommerferien fährt Anna aus ihrer zweiten Heimat Kladrum in ihre dritte. Immer begleitet von ihrem Freund reist sie durch Schottland, verbessert ihr Dudelsackspiel, nimmt Unterricht bei ihrem schottischen Lehrer und beteiligt sich an Wettkämpfen. Im kommenden September geht‘s dann nochmal für ein Wochenende per Flugzeug rüber zu den Highland Games – der Titel will verteidigt werden. „Dudelsack“, informiert Anna bei der Gelegenheit gleich, „ist nur ein Oberbegriff für eine ganze Reihe an Musikinstrumenten. Der, den ich spiele, heißt offiziell – und in Schottland sowieso nur – Great Highland Bagpipe.“

Eine schottisch-mecklenburgische Connection pflegt Deutschlands beste Bagpipe-Spielerin auch in der Gruppe Opens external link in new windowClan MacLanborough, die in Kladrum zu Hause ist und einst von ihrem Vater gegründet wurde. Vor rund vier Jahren verstarb Jochen Kummerlöw, seitdem führt Anna die Gruppe als Pipemajor weiter.
Das siebenköpfige Pipes-and-Drums-Ensemble, zu dem auch Annas Mutter Heidi zählt, wird vor allem für Stadt- und Dorffeste sowie für private Feiern gebucht. Einen großen Fernsehauftritt hatte der Clan MacLanborough aber auch schon: in der Show „Willkommen bei Carmen Nebel“. Und Anna Kummerlöw durfte kürzlich in Rostock zusammen mit André Rieu auftreten. Inzwischen ist sie nicht nur mehrfache Deutsche Meisterin im Dudelsackspielen, sondern arbeitet auch als Wertungsrichterin bei hiesigen Wettbewerben.

Sogar auf der heimischen Stereoanlage hört sie meist Bagpipe-Klänge. Nur beim Fitnesstraining, für das sie sich regelmäßig Zeit freischlägt, kommt ihr keine Dudelsackmusik an die Ohren; dann muss es was ganz anderes sein, Black Music vor allem. S. Krieg