14.06.2012

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Alle für alle

Das Genossenschaftsprinzip ist heute aus vielen Lebensbereichen nicht mehr wegzudenken
Margitta SchumannFoto: SWG
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Die Idee ist so alt wie die Menschheit selbst: Was einer nicht schafft, das können viele zusammen. Selbst Tierverbände sind so schlau, gemeinsam auf die Jagd zu gehen; die Beute wird später geteilt. Menschliche Beweggründe für das Wirken in der genossenschaftlichen Wohlstands-Gemeinschaft unterscheiden sich davon nur in der Art der Belohnung. Es ist nicht die tägliche Nahrung, es sind Geld und der persönliche Vorteil, die uns antreiben, oder auch das gute Gewissen, etwas in die Zukunft zu investieren. Und so wundert es nicht, dass 2012 über 800 Millionen Menschen in über 100 Ländern in Genossenschaften organisiert sind. Die Vereinten Nationen haben dieses Jahr zum „Internationalen Jahr der Genossenschaften“ erklärt. Viele davon sichern in den ärmsten Regionen der Welt das Überleben in bäuerlichen Gemeinschaften. Auch im deutschsprachigen Raum gelten ländliche Organisationsformen als erste Konstrukte im genossenschaftlichen Sinn überhaupt: 1847 gründete Friedrich Wilhelm Raiffeisen den Hilfsverein zur Unterstützung der notleidenden ländlichen Bevölkerung. In Delitzsch wurde fast zeitgleich die „Rohstoffassoziation“ für Tischler und Schuhmacher ins Leben gerufen, 1850 folgte der „Vorschussverein“, der Vorläufer der heutigen Volksbanken.
Stichwort Landwirtschaft: Wer kann sich nicht an die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) erinnern – auch wenn sich über den „Vorteil für alle“ an diese Stelle streiten ließe. Konsumgenossenschaft, Wohnungsgenossenschaft, Genossenschaftsbank, Handel, Dienstleis-tung, Handwerk: Das Prinzip der Genossenschaft fand sich und findet sich bis heute in den meis-ten Lebensbereichen wieder. „Genossenschaft“ heißt ein Zusammenschluss von mindestens drei gleichberechtigten Mitgliedern mit dem gleichen wirtschaftlichen Anliegen. Die Regeln dafür legt das Genossenschaftsgesetz fest. Am erfolgreichsten funktioniert das nach wie vor in der Geldwirtschaft. Würde man die Schweriner nach sinnvollen Beteiligungsmodellen fragen, eine Bank würden sie sicher als erstes nennen. Eine wie die VR-Bank zum Beispiel. 16,7 Millionen Kunden sind in Deutschland auch Mitglieder ihrer Bank. Am effektivsten wird dieser Gedanke von den Volks- und Raiffeisenbanken, kurz VR, umgesetzt. Auch in Schwerin profitieren 14.000 Kunden davon, Genossenschaftsmitglied zu sein. Was genau haben sie davon?
„Was einer alleine nicht schafft, das erreichen viele gemeinsam“, heißt es auch bei der Bank. Jedes Mitglied ist mit einem oder mehreren Geschäftsanteilen an seiner Bank beteiligt und aufgefordert, an demokratischen Entscheidungs-prozessen mitzuwirken. Noch dazu hat sich die VR-Bank die Nähe zu ihren Kunden zum festen Prinzip gemacht: Regional verbunden tritt das Unternehmen auf, kann dadurch flexibel auf örtliche Anforderungen reagieren. Von Preisvorteilen bei der Kontoführung, exklusiven Veranstaltungen und Rabatten bei bankeigenen Produkten über die Dividende auf die Geschäftsanteile bis zu neuerdings sogar Mitgliederreisen summieren sich die Vorteile zu einem lukrativen Paket.
Das genossenschaftliche Wohnen hat eine fast ebenso lange Tradition und ist bis heute kein Auslaufmodell. Entstanden aus der unzureichenden Wohnungssituation in immer größer werdenden Städten Ende des 19. Jahrhunderts sollten Selbsthilfe-Vereine Wohnungssuchende mit preiswertem Wohnraum versorgen. Die Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften (AWG) der DDR führten das Konzept fort. Laut Internetlexikon Wikipedia existieren heute über 2.000 Baugenossenschaften in Deutschland mit mehr als zwei Millionen Wohnungen und mehr als drei Millionen Mitgliedern. Als „Mieter im eigenen Haus“ können sich auch die Mitglieder der Schweriner Wohnungsbaugenossenschaft (SWG) fühlen. Sie sind sozusagen Miteigentümer der Genossenschaft. Dadurch genießen sie allerlei Vorteile. „Jedes Mitglied hat mit seinem Dauernutzungsvertrag ein lebenslanges Wohnrecht“, erklärt SWG-Vorstandsmitglied Margitta Schumann. „Eigenbedarfskündigungen gibt es nicht.“ Ein weiterer Vorteil seien die Serviceleistungen, die es fast rund um die Uhr gibt. So führen Hausmeister und Handwerker kleine Reparaturen selbstverständlich schnell und unbürokratisch aus; Kleinreparaturen sind sogar kostenlos. Wer Fragen zur Abrechnung der Betriebskosten, zu Miete oder Instandhaltung hat, findet Rat bei persönlichen Ansprechpartnern. „Mieter in Genossenschaftswohnungen haben gegenüber anderen den Vorteil, dass ihre Interessen einfach stärker berücksichtigt werden“, so Margitta Schumann. „Das Objekt wird besser gepflegt und gewartet. Die Wohnungsmieten sind moderat. Mietwucher muss keiner fürchten. Unterm Strich ist das ein angenehmeres Wohnen.“
Mehr als 9000 Wohnungen gehören zum Bestand der SWG. Damit ist sie einer der größten Genossenschaften in Norddeutschland.  „Wir sind eine gesunde Gemeinschaft, die den Stadtumbau maßgeblich vorantreibt und mit zahlreichen Nachbarschaftstreffs und Projekten große Verantwortung für die Menschen übernimmt. Wer zur SWG gehört, kann demokratisch mitbestimmen, aus seiner Nachbarschaft Vertreter wählen oder sich selbst zum Vertreter wählen lassen“
Relativ neu ist dagegen jene Idee, die 2011 zur Gründung der Norddeutschen Energiegenossenschaft (NEG) führte: In Zeiten der Energiewende in erneuerbare Energien investieren, nicht über irgendwelche fernen Börsen, sondern vor der eigenen Haustür. Ihren Einsatz für die Zukunft haben bislang schon 800 Mitglieder getätigt. Vorstandsmitglied Rolf Bemmann bestätigt im Interview (S. 16): Es ist nicht nur der finanzielle Vorteil, der Anteils-eigner an dieser Stelle lockt – die ersten Ausschüttungen werden wohl noch auf sich warten lassen –, sondern vielmehr der Gedanke an die Umgestaltung der Energieerzeugung hin zu regenerativen Quellen, noch dazu im Lebensumfeld. Daran direkt beteiligt zu sein, macht diese Genossenschaft möglich.
Jede Stimme zählt! Diese einfachste Form der Demokratie macht das Prinzip der Genossenschaft reizvoll. Wo der globale Markt unbeherrschbar scheint, sich Banken mit Steuergeld sanieren, Europa sich nicht mehr einig ist – und der Bürger an alldem rein gar nichts mit zu entscheiden hat – verspricht diese Einfachheit  vielen Menschen ein gewisses Maß an Sicherheit. Sicherheit für das eigene Geld, die eigenen Wertvorstellungen und die Ziele, die es im eigenen Leben noch zu erreichen gibt.