16.01.2009

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Wer hat an der Uhr gedreht?

Klockenschauster Hans-Joachim Dikow repariert kleine technische Wunderwerke
Nichts reizt Klockenschauster Hans-Joachim Dikow mehr, als eine alte Uhr wieder in Gang zu setzen.<br>Fotos: Anja Bölck
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Als Hans-Joachim Dikow sechs Jahre alt war, verspürte er das unheimliche Verlangen, die Wanduhr seiner Eltern von der Tapete zu reißen. Noch heute erinnert sich der Schweriner, wie ihm die Finger weh taten und bluteten, als er die Uhr in all ihre Einzelteile zerlegte. Mit unsagbarer Neugierde sog er die technischen Abläufe in sich auf. „Natürlich habe ich damals von Mutter und Vater ordentlich was hinter die Ohren bekommen“, erinnert er sich.
Heute straft ihn niemand mehr, wenn er fremde Uhren zerlegt. Im Gegenteil. Tagein, tagaus huschen Leute in seinen kleinen Laden in der Münzstraße, um Wanduhren, Armbanduhren und Wecker hineinzutragen, an denen der Zahn der Zeit nagt. Längst hat sich herumgesprochen, dass Hans- Joachim Dikow es meisterhaft versteht, alte Glashütter Uhren zu reparieren. Nicht zuletzt zählt er zu den wenigen Uhrmachern, die es in Schwerin noch gibt. Sicher stimmt das den -Jährigen manchmal traurig. Aber grundsätzlich ist er ein dem Leben positiv gesonnener Mensch. Seitdem er seinen Laden „de klockenschauster“ betreibt, hat er mit originellen Straßenfest- Ideen die Münzstraße ein ganzes Stück bekannter gemacht. Auch für einen Klönsnack ist der Handwerker immer zu haben. Und viele „stehlen“ ihm dankbar die Zeit.
Wenn der Klockenschauster dann in den Abendstunden nachholt, was liegen geblieben ist, wenn er an den kleinen Rädchen schraubt und all die Uhren um ihn herum still vor sich hinticken, wandern seine Gedanken des öfteren an den Pfaffenteich. Kindheitserinnerungen werden wach. „Mutter mach die Pfanne heiß“, hört er sich noch rufen, bevor er die Angel in den kleinen See auswirft. „ Hier war ei- gentlich immer was los“, blickt der Klockenschauster zurück. „Es gab das Radrennen am Pfaffenteich. Die Kanuten und Modellbauer verschlug es zu uns und auf dem See wurde sogar einmal im Jahr getanzt. Gleich nebenan auf dem Ziegelinnensee lieferten sich die Motorboote ihre Wettrennen.“
Doch irgendwann ist auch für den kleinen Hans-Joachim die sorglose Zeit vorbei. Die Schule naht sich dem Ende, was nun? Rundfunk- und Fernsehmechaniker möchte er werden. Doch da gibt es nur eine Stelle. Vom Amt bekommt der Ausbildungssuchende die Lehre als Uhrmacher angeboten. Der feinfühlige Beruf trifft seinen Geschmack. So stürzt sich der junge Mann in der Großraumwerkstatt GHG Technik in die Ausbildung.
Als Ende der 1970er- Jahre auch in der DDR die Technik Einzug hält und im Bezirk Schwerin nicht mehr genügend reparaturbedürftige Zeitmesser zusammenkommen, um alle Uhrmacher zu beschäftigen, findet sich Hans-Joachim Dikow mit seinen Kollegen in der Bettfederreinigung wieder. Glücklicherweise darf er wenig später eine Graveurwerkstatt aufbauen. Dazu gibt es die passende Ausbildung. „Als die Wende kam, war unser Betrieb einer der ersten, der platt gemacht wurde“, erinnert sich der Schweriner. „Und ich stand ohne Arbeit da. Anfangs dachte ich darüber nach, mich als Uhrmacher niederzulassen. Aber ich sah, dass die Menschen sich für alles andere als Uhren interessierten.“ Zudem musste er seine Familie, vor allem die beiden Jungs ernähren. Kurzum. Hans-Joachim Dikow sattelt auf Versicherungskaufmann um. „Vor sechs Jahren lernte ich dann die Menschen in der Münzstraße kennen und es wuchsen freundschaftliche Beziehungen heran“, so der Handwerker. „Als ein kleines Geschäft frei wurde, musste ich einfach zuschlagen. Ich dachte, so einen schönen Laden kriegst du nie wieder.“
Inzwischen genießen eine Menge Leute seine kleine Werkstatt. Vor allem, wenn Hans-Joachim Dikow zu seiner Veranstaltungsreihe „Kultur beim Klockenschauster“ läutet. Gut angelaufen sind auch die Uhrmacherhandwerks- Seminare. „Die Teilnehmer kommen sogar aus Lübeck, Hamburg und Rostock“, freut sich Uhrmacher Dikow. „Ganz unterschiedliche Leute sind dabei, von der Krankenschwester bis zum Oberingenieur.“