09.12.2022

Kultur

Schwerins erstes Bankgebäude

Schnelles Geld für Handwerker: Heutiges Gusanum entstand als Lebensversicherungs- und Sparbank.
Heute befindet sich in dem einstigen Bankgebäude ein Gesundheitszentrum.
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal in Schwerins erstem Bankgebäude, das heute das Gesundheitszentrum Gusanum beherbergt.

 

Im 19. Jahrhundert bekam Schwerin einen echten Wachstumsschub. Paul Friedrich, 1837 Großherzog geworden, verlegte den Sitz der Residenz aus Ludwigslust hierher zurück. Baumeister Georg Adolf Demmler entwarf mit der Paulsstadt einen weiteren Stadtteil und 1847 erfolgte der Anschluss an die Eisenbahn. Es war ein Boom, der das Gesicht der Stadt nachhaltig veränderte – auch am so genannten Katersteig. Diese notdürftig gepflasterte Gasse verlief entlang von Scheunen und Gärten zwischen der Lübecker und der Wismarschen Straße. Hier hatte der Magistrat schon 1837 ein „dringendes Bedürfnis“ für eine fahrbare Verbindung erkannt, die Umsetzung aber mangels finanzieller Mittel auf Eis gelegt. Nachdem der jüdische Kaufmann Simon Seelig jedoch Land erworben und Bauplätze hergerichtet hatte, folgte 1856 auch der Ausbau der Straße, die den Namen Blüchers erhielt und heute Arsenalstraße heißt. Einen dieser Bauplätze sicherte sich der Bankvorstand der wenige Jahre zuvor gegründeten Mecklenburgischen Lebensversicherungs- und Sparbank. So entstand 1857 an der Ecke zur Wismarschen Straße ein repräsentatives Bankgebäude. „Es war Schwerins erste Bank“, sagt die Historikerin Christine Rehberg-Credé. Zwar gab es bereits seit 1821 die Ersparnisanstalt, aber diese durfte das Geld nur „mündelsicher“ anlegen – waren es doch kleine Leute, die dem Institut ihre Spargroschen anvertrauten. Wer Geld leihen wollte, musste nach Hamburg fahren.

1851 war in Schwerin eine Versicherungsanstalt als Alternative zu Witwenkassen und Sterbekassen, Pensionskassen und Totenladen der Innungen entstanden, die in einem zweiten Geschäftsbereich auch als Bank tätig wurde. Geschäftsleute und Handwerker, die kurzfristig Kredite benötigten, konnten hier vorsprechen. Der Tresor befand sich auf der zur Arsenalstraße hin gelegenen Hausseite. „Die dickeren Wände sind heute noch in der Apotheke zu sehen“, sagt Christine Rehberg-Credé.

Bereits 1898 erfolgte der erste Umbau. Dabei entstand in der Wismarschen Straße ein zweiter Eingang nach Plänen von Gustav Hamann. Der Grund dafür: Wegen der Verbindung mit dem Bankgeschäft erhielt die Versicherungsgesellschaft in Preußen keine Konzession. Also kam es zur –auch räumlichen – Trennung von Sparbank und Lebensversicherungsbank. Waren beide anfangs noch im gleichen Haus, zog die Sparbank 1905 in das Geschäftsgebäude auf der anderen Straßenseite – die heutige Sparkasse. Dies führte erneut zu einer neuen Haustür: Einer der Eingänge in der Wismarschen Straße ver-schwand, dafür entstand der heutige Eckeingang.

Nach weiteren Umbauten und einer Fusion erwarb 1923 die Deutsche Raiffeisenbank aus Berlin das Gebäude. 1884 war in Brunow bei Ludwigslust der erste mecklenburgische Raiffeisenverein gegründet worden – fußend auf der Idee der gemeinschaftlichen Selbsthilfe des Sozialreformers Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Bis in die 1920er-Jahre gab es in Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz bereits  150 Genossenschaften. Das „Raiffeisenhaus“ – wie das Gebäude bald genannt wurde – war der Sitz von deren Zentralverwaltung.

Zur Geschichte des Hauses gehört auch, dass hier ab 1935 die „Mecklenburgische Sippenkanzlei Schwerin“ ihren Sitz hatte. Sie war aus der Kirchenbuchabteilung hervorgegangen, die im Jahr zuvor eingezogen war. Hier erfolgte die Bearbeitung der von den Nazis verlangten Ariernachweisen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ging das Haus durch viele Hände: Es war Sitz der Deutschen Versicherungsanstalt und des Rates des Kreises Schwerin, nach 1990 Landratsamt und Sitz des Innenministeriums. Als es nach dessen Umzug ins Arsenal 2003 leer-stand, begann ein neues Kapitel in der Geschichte des Gebäudes: Als Gesundheitszentrum Gusanum beherbergt es heute Praxen, Labore und weitere medizinische Dienstleister.

Katja Haescher