Kultur
Plastik kann Zurückkehren
Sie fehlt seit mehr als 50 Jahren und ist doch eng mit Schwerin verbunden: die Bronzeplastik „Großer Schreitender Mann“ des international berühmten Bildhauers Wieland Förster. Die Figur war 1970 kurz vor der offiziellen Übergabe der Feierhalle auf dem Waldfriedhof aufgestellt worden. Wenige Wochen später besuchte Bernhard Quandt, 1. Sekretär der Bezirksleitung, den Ort und sorgte für die Entfernung des Kunstwerks.
Fritz Schwarzer, damals stellvertretender Direktor des Staatlichen Museums, schrieb in einem Erinnerungsbericht 1992 über diese Begebenheit: Bauarbeiter seien vom Genossen Quandt zu einer Meinungsäußerung zum „Schreitenden“ aufgefordert worden und hätten die Figur wegen ihres kräftigen Körperbaus und der langen Arme „unseren Gorilla“ genannt. Die zur Stellungnahme aufgeforderte Kultur-Abteilung der SED-Bezirksleitung nahm das flapsige Urteil der Werktätigen auf: Der dargestellte Mensch erinnere mit seinen über die Knie herabhängenden Armen an einen Urmenschen. Mit den überdimensionierten Muskeln an Armen und Beinen, mit Bauch und naturalistisch gestalteten Fettpolstern bis hin zum Gesichtsausdruck, der gedankenfern und stupide erscheint, stelle die Figur einen Mann dar, der körperlich stark verbraucht sei, hieß es in der offiziellen Beurteilung und weiter: „Dies ist nicht typisch für den Menschen unserer Zeit.“ Fritz Schwarzer und einigen namhaften Künstlern gelang es, zumindest das Einschmelzen der Plastik zu verhindern.
Nachdem die Figur mehrere Jahre den Blicken der Öffentlichkeit entzogen war, entschied Schwarzer, den „Großen Schreitenden Mann“ zu einer Ausstellung nach Rumänien auszuleihen – ohne vorherige Genehmigung. Hier wurde die Plastik mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Die Funktionäre waren hierdurch als „banausenhafte Kunstzerstörer“ (Wieland Förster) vorgeführt und mussten handeln. Schwarzer erhielt ein Disziplinarverfahren. Er wurde seines Amtes enthoben. Doch die nunmehr international ausgezeichnete Plastik konnte ihr Kellerexil verlassen. Sie wurde auf dem Gelände der Getrudenkapelle der Ernst-Barlach-Stiftung in Güstrow ausgestellt, wo sie auch noch steht.
Anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Waldfriedhofs wurde der Wunsch nach einer Rehabilitierung der Plastik laut. Das Staatliche Museum, zu dessen Kunstschätzen sie gehört, befürwortet die Rückkehr – genauso wie der Künstler. Für Oberbürgermeister Rico Badenschier ist damit klar, dass der Umzug von Güstrow nach Schwerin in die Wege geleitet werden kann: „Der Waldfriedhof repräsentiert ein wichtiges Stück Architekturgeschichte der DDR. Er steht teilweise unter Denkmalschutz. Mit der Rückkehr der preisgekrönten Plastik wird das Ensemble wieder komplementiert“, so Badenschier.