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Jeder Atemzug ist Sprache
„Meine Poesien sind gleichsam Häutungen vorübergehender und vorübergegangener Zustände. Aus solchen Bälgen machen sich die Leute nun Schuhe, Kleider und so weiter und tragen sie ab.“ (aus Goethe zu Riemer, im Jahr 1809)
Solch vortreffliche Worte hört Dr. Hans-Henning Schmidt als bekennender Goethianer nur allzu gern. Leben und Werk des bekanntesten deutschen Dichters sind für ihn literarische Felsen, die er immer wieder zu erklimmen sucht. Dass Schwerin nicht gerade ein Eldorado für Bergsteiger ist, hat ihn nicht davon abgehalten, in der Landeshauptstadt eine Goethe-Geburtstagsrunde ins Leben zu rufen.
Zur ersten Begegnung dieser Art kam es vor drei Jahren. Da war der Germanist und Rhetoriker Schmidt aus berufl ichen Gründen gerade von Halle an der Saale nach Schwerin gewechselt, um hier fortan für einen hochrangigen Politiker die Reden zu schreiben. Du musst was zum Geburtstag von Goethe machen, geisterte es damals durch seinen Kopf. Und so begab er sich im August 2006 auf die Suche nach Partnern und Gleichgesinnten. Im Niederländischen Hof fand er seine Mäzenin. „Wenn Sie zehn Leute zusammenkriegen, können Sie gerne das Kaminzimmer nutzen“, sagte Martina Lux-Grella, die Chefin.
Es gelang ihm. Er servierte seinen Gästen einen bunten Geburtstagsstrauß – vom Puppenspiel über Lyrik, Prosa bis zu Anekdoten. Inzwischen hat die Goethe-Geburtstagsrunde in Schwerin Tradition - an die 50 Leute pilgern jedes Mal in den Niederländischen Hof. Die nächste Veranstaltung leuchtet schon am Horizont: „Am 28. August ist es soweit“, verkündet Dr. Hans-Henning Schmidt in froher Erwartung. „Diesmal lautet das Thema ´Schiller und Goethe GbR´. Der Eintritt ist wie immer frei. Jeder, der vorbeischauen möchte, ist willkommen.“ Neben dieser außergewöhnlichen Geburtstagsrunde stellt der Wahl- Schweriner in seiner Freizeit noch mehr auf die Beine. Mit seinen LITERA- tainment-Veranstaltungen hat er ein ganz eigenes Genre aus Bildung und Unterhaltung geschaffen.
Schiller-Party
Seine Lesungen sind alles andere als trocken aneinander gereiht vorgetragene Texte. Schmidt beschreibt es so: „Ich rezitiere die Texte und moderiere den Abend, trage meine persönliche Beziehung zum Dichter nach außen und erzähle Anekdoten.“ So auch geschehen auf der erst kürzlich stattgefundenen Schiller-Party. Dort erzählte er zum Beispiel von des Dichters Fixierung auf drei Frauen. Wem wohl das Liebesgedicht gewidmet gewesen sei? Auf der Party befreite er Schiller von seinen Klischees und stellte ihn als Schwabe, als Dramatiker, als Lyriker, als Philosoph dar. „Am Ende der Veranstaltung“, erinnert sich Hans-Henning Schmidt, „trat ein älterer Herr auf mich zu und sagte mir: So lebendig habe ich Schiller noch nie vermittelt bekommen.“ Seine LITERA-tainment- Abende schmückt Kunstgenießer Schmidt auch mit musikalischen Lichtern und einem unterhaltsamen Quiz.
Parodien zu Goethe
Doch achtet er stets darauf, dass das Wort im Vordergrund steht. Für den Mann des geschriebenen und gesprochenen Wortes ist Bildung ein wichtiges Gut. Und das versucht er mit Unterhaltung, also LITERA-tainment, unter die Leute zu bringen. Auch anderswo ist der 62-Jährige mit von der Partie. Im Oktober wird er die Reihe „Kultur beim Klockenschauster“ mit Parodien zu Goethe und Schiller eröffnen. Und beim Projekt „Eine Straße liest“, ist er erneut in der Münzstraße anzutreffen. An den Wochenendenkehrt Hans -Hennig Schmidt der Landeshauptstadt oft den Rücken. Denn die Wurzeln des gebürtigen Altenburgers liegen nach wie vor in Halle, wo seine Frau lebt. Dennoch fühlt er sich wohl in Mecklenburg: „Ich mag Schwerin im Sommer“, sagt er. Ihm gefällt die Vertrautheit in der kleinen Stadt, „dass man beim Spazierengehen mindestens einen Bekannten trifft.“ Hans-Henning Schmidt ist ein Gewinn für Schwerins Kulturleben. Er ist ein Trüffelsucher, verwöhnt die Leute, wie sich selbst, mit anspruchsvoller Literatur. Und das nur, weil er nicht immer nur alleine unter der Leselampe sitzen mag.
Am Anfang stand Goethe. Das letzte Wort soll ihm auch gehören: „An Zerstreuung lässt es uns die Welt nicht fehlen. Wenn ich lese, will ich mich sammeln.“