14.09.2011

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JA sagen zu außer- gewöhnlichen Aufgaben

Steinmetze gibt es in der Neumühler Bauhütte nicht, doch diese Putte – ein Meisterstück – ziert den Weg zum Büro von Uwe Henschel. Foto: Beate Schöttke-Penke
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Der Geschäftsführer der Neumühler Bauhütte Uwe Henschel liebt es, Projekte vom Anfang bis zum Ende zu betreuen

Im Leben gerät ein jeder an Scheidewege. Links oder rechts gehen; JA oder NEIN sagen zu Herausforderungen. Uwe Henschel, in Schwerin geboren und nach vielen Jahren im Harz seit 2004 mit seiner Familie wieder hier lebend, hat immer JA gesagt. Die Restaurierung historischer Gebäude reizt den 1,90 Meter großen und 58 Jahre alten Mann nach wie vor. Erst recht, wenn er freie Hand hat. Am liebsten betreut der diplomierte Bauingenieur Projekte im Paket, von der Planung über die Koordination bis hin zur Ausführung. Nicht nur in Deutschland hat der Geschäftsführer der Neumühler Bauhütte seine Spuren hinterlassen sondern auch im fernen Aserbaidschan.
Doch der Reihe nach. Das Büro des Bauspezialisten ist unspektakulär. Ein Plattenbau in Neumühle, inmitten von Kleingärten, moderne Büromöbel, der Firmenchef an seinem Computer. Ein Platz, den er viel lieber mit der Baustelle tauscht, räumt er ein. Schon beim Studium in Wismar lockte ihn die Jazzmusik oft von den Büchern weg. „Das richtige Arbeitsleben begann doch erst danach“, sagt der Schweriner. Die Liebe zu seiner Frau Anita zieht ihn in den Süden. Bei der Denkmalpflege in Halle mit Sitz in Quedlinburg gibt es nicht nur Arbeit sondern auch eine Wohnung. So geht er zunächst nach Gatersleben im Landkreis Aschersleben, dann nach Quedlinburg. Von den vielen Bauten, die zur Zeit der Romanik unter der Ägide Heinrich I. entstanden sind, ist Uwe Henschel begeistert. Ob der Dom in Halle, die Stiftskirche in Quedlinburg oder Schloss Neuenburg in Freyburg, die Schwester der Wartburg – bei all diesen Vorhaben hält Uwe Henschel die Fäden in der Hand. Und erarbeitet sich so ein übergreifendes Wissen.
Mit der politischen Wende in Deutschland ergeben sich „noch ganz andere Möglichkeiten“. Zusammen mit drei Leuten kauft der Experte die Quedlinburger Denkmalpflege-Firma von der Treuhand, übernimmt für 120 Leute die Verantwortung. Ein paar Jahre später kommt ein Anruf aus Baku. Ein früherer Kollege fragt den Sanierungsexperten, ob er sich vorstellen könnte, für die Weltbank ein paar Projekte zu betreuen. Er konnte! Bewirbt sich mit einer 60-seitigen Ausschreibung als Projektmanager und verkauft seine Firmenanteile in Quedlinburg. 2001 ist er das erste Mal in Aserbaidschan, bis Ende 2004 arbeitet er in Sheki im Kaukasus und in Nakhchivan, einer Grenzregion zum Iran. In Sheki wird unter seinem Management der Sommerpalast des letzten Khan restauriert, in Nakhchivan das Mausoleum der Perserkönigin Mominekhatun und in Karabaglar eine alte Koranschule – alles Bauten aus der Perserzeit. Uwe Henschel zeigt einen dicken Ordner, in dem der Fortgang der Arbeiten für die Geldgeber – die Weltbank und das Land Aserbaidschan – dokumentiert ist. Und kommt ins Schwärmen. „Das ist doch Wahnsinn. Man merkt, dass man mit seinem Menschenverstand überall hinkommen und etwas machen kann“, begeistert er sich. Das Zusammenspiel mit den Bauleuten aus Aserbaidschan und dem Iran, mit seinen Bauleitern Arash und Seyran erinnert Uwe Henschel gern. Arabische Schrift könne er zwar nicht, aber die Verständigung auf Russisch und Englisch habe wunderbar funktioniert. Die Frage nach einem anderen Bauen in anderen Kulturen wischt Uwe Henschel vom Tisch.  „Wenn man sich in die Kultur eindenkt, dann ist Bauen auf der Welt überall das Gleiche“, entgegnet er. Nur die Bedingungen unterscheiden sich stark. „Eine Museumsleiterin verdiente dort acht Dollar im Monat, ein Bauarbeiter bekam von uns zehn Dollar am Tag. Ganze Familienclans haben vom Lohn der Bauleute gelebt“, erzählt Uwe Henschel. Strom und Wasser habe es in Karabaglar und Sheki nur zwei Stunden am Tag gegeben. „So haben wir in Sheki extra ein Erdkabel für den Palast verlegt. Das Krankenhaus nebenan hatte dagegen keinen Strom“, berichtet er.
Als Uwe Henschel Ende 2004 zurück nach Deutschland kommt, hat die Familie einen neuen Lebensmittelpunkt. Die restaurierte Villa in Quedlinburg ist inzwischen verkauft, dafür ein Haus in Friedrichsthal erworben und der Umzug durch seine Frau Anita bewältigt. „Uns zog das Wasser in den Norden“, bekennt der Mecklenburger. Wie nun beruflich weiter? Eigentlich will der Fachmann nicht noch einmal eine Firma gründen. Und doch sagt er wieder JA. Die Denkmalpflege Mecklenburg ist insolvent, ein neues Betätigungsfeld tut sich auf. So legt Uwe Henschel im April 2005 wieder los. Fängt mit fünf Leuten an, erweitert die Neumühler Bauhütte Stück um Stück. Seit 2010 arbeiten nicht nur die Gewerke Putz, Stuck und Maler Hand in Hand sondern auch die Zimmerer und Dachdecker. Ein Mix an handwerklichen Fähigkeiten, den die 70köpfige Bauhütte anderen Firmen voraus hat.
Gibt es eine Baustelle, die den erfahrenen Baufuchs noch mal reizen würde? Uwe Henschel muss nicht lange überlegen. Mit seiner Frau reise er viel herum. 2010 seien sie in Laos in Luang Prabang gewesen, mit seinen 32 buddhistischen Klöstern UNESCO-Weltkulturerbe. In einer während des Vietnam-Krieges zerstörten Tempelanlage habe nur noch ein Buddha inmitten von Umfassungswänden gesessen. Spürbar ist: Bekäme Uwe Henschel einen Anruf, er würde wohl wieder JA sagen.