15.02.2023

Kultur

Hofmarschall und Pioniere

Als Haus der Jungen Pioniere „Kurt Bürger“ – mit Sputnik-Express über und Pferdewagen vor der Tür
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Eventplanung, Russisch-Olympiade, Büroalltag: Das Gebäude Schloßstraße 5 kennt viele Nutzungen

Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: in der Schloßstraße 5, wo aus dem einstigen Hofmarschallamt später das Haus der Pioniere wurde und heute ein modernes Verwaltungsgebäude entstanden ist.
„Im Raum 25, dem Pionierzimmer, sitzen einige Pioniere schweigend um den Tisch. Der erste seufzt, der zweite seufzt, der dritte seufzt. Kommt ein vierter ins Zimmer und fragt: Unterhaltet ihr euch über den neuen Gruppenplan?“ Mal ehrlich – lustig ist der nicht. Aber es ist die Art von Witz, die man in der DDR als für junge Leser geeignet hielt. Zur Sicherheit schrieb man in der Broschüre zum 25. Jahrestag des Pionierhauses „Kurt Bürger“ noch „Heiteres“ darüber – und fertig war die offizielle Dosis Humor.
Dabei stand doch fest, dass Pioniere immer einen Plan hatten. Und der war im Pionierhaus in der Schweriner Schloßstraße 5 eng getaktet: Mehr als 30 Arbeitsgemeinschaften kamen hier zusammen – vom Kabarett über die jungen Verkehrshelfer bis zum Klub der Internationalen Freundschaft. Rezitationswettbewerbe, Russisch-Olympiaden und Chorwettstreite gehörten zu den mehr als 50 Veranstaltungen, die jeden Monat im Haus stattfanden.
1951 war das damalige Klubhaus der Sowjetischen Militäradministration an die Pionierorganisation übergeben worden – nachdem der Platz in den zuvor genutzten Räumen in der Schillerstraße nicht mehr ausreichte. Die Pioniere übernahmen ein Haus aus dem Ensemble großherzoglicher Residenzbauten: Der 1883/84 von Landbaumeister Rudolf Zöllner errichtete Bau diente als Hausverwaltung und beherbergte das Hofmarschallamt. Dabei sollte der Begriff Hausverwaltung nicht im heutigen Sinne verstanden werden: Die „Verwaltung des großherzoglichen Hauses“ kontrollierte diejenigen Forsten und Staatsdomänen, deren Einnahmen direkt an den großherzoglichen Hof flossen. Es war eine wichtige Behörde – hier ging es um Geld. „Der letzte Leiter dieser Hausverwaltung, Fortunatus von Oertzen, war also mitnichten ein Hausmeister, sondern ein ranghoher Beamter, der mit dem Titel ,Exzellenz‘ angesprochen werden musste“, sagt Bernd Kasten, Leiter des Schweriner Stadtarchivs.
Was die Hausverwaltung einnahm, gab das Hofmarschallamt dann wieder aus. Dort liefen die Fäden zusammen, wenn es am Hof etwas zu zelebrieren gab: Ob Taufe, Hochzeit oder Beerdigung, diplomatischer
Empfang oder rauschender Ball, das Hofmarschallamt plante den minutiösen Ablauf.
In der Schloßstraße, noch dazu in Sichtweite des großherzoglichen Schlosses, war das Verwaltungsgebäude für die beiden Behörden in absoluter Schweriner A-Lage entstanden. Hier bildeten Granitplatten den Bürgersteig und so war es auch wenig verwunderlich, dass Zöllner sich für seinen Entwurf von der französischen Renaissance inspirieren ließ. Deutlich wird dies zum Beispiel an den überdachten Mansardfenstern, welche sowohl zur Schloß- als auch zur Ritterstraße hinausgehen. Ebenfalls im Mansarddach befindet sich eine Gaube, in der das siebenfeldrige Landeswappen die Zugehörigkeit zu Mecklenburg-Schwerin anzeigt. Details wie plastische Verdachungen über den Fenstern des Obergeschosses und Stuckelemente sind weiterer Fassadenschmuck. Das Haus entstand an der Stelle des ersten Schweriner Postamts, das später die 1821 gegründete Ersparnisanstalt beherbergt hatte und dann abgerissen worden war. Es grenzt an das einstige Hotel „Nordischer Hof“, mit dem es im Innern direkt verbunden ist – als Teil des Finanzministeriums von Mecklenburg-Vorpommern. Der Kreis zu Geld und Verwaltung hat sich also wieder geschlossen.
Katja Haescher