15.01.2013

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Wir haben sie lieb!

Die Klasse 9d der Brecht-Schule in Schwerin lässt auf ihre Lehrerin Jeannine Parlow nichts kommen – sie ist eine der Besten im Land
Jeannine Parlow im Kreise ihrer Schüler, hintere Reihe 3. v.l. Foto: Beate Schöttke-Penke
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Die Mädchen und Jungs der 9d  der Integrierten Gesamtschule Bertolt Brecht in Schwerin sprechen offen darüber, wie sie mal waren. Sie redeten nicht mehr miteinander, stritten und beleidigen sich nur noch, warfen mit den Stühlen. Schüler mit guten Zensuren wurden ausgebuht, Schüler mit schlechten gefeiert. Es herrschte „Krieg“! Tagtäglich! Keiner konnte mehr sagen, wie das mal angefangen hat. Doch jeder war stolz. Auf den anderen zugehen? Niemals! Das Ende des sechsten Schuljahres war heftig: Nichts ging mehr. Präventionsbeamte versuchten sechs Wochen lang die verhärteten Fronten zu befrieden. Das war ein Anfang. Hin zum Guten. Denn Jeannine Parlow, Deutsch- und Geschichtslehrerin an der Schule, wagte sich anschließend in „die Höhle des Löwen“, übernahm im siebten Schuljahr die Klasse als Leiterin. Sie ist eine Lehrerin mit großer Hingabe, unkonventionellen Methoden und ließ sich nicht schrecken vom schlechten Ruf der Klasse. Stellte zunächst ein paar Regeln auf, an die sich alle zu halten hatten. Höflich sein, den anderen respektieren, den Straßenjargon vor der Klassentür lassen, gute Leistungen nicht verlachen, sich um bessere bemühen. Am Teamtag gingen die Schüler in den Kletterwald, erlebten hautnah, wie wichtig es ist, sich aufeinander verlassen zu können. Erkannten, dass jeder seine Macken hat. Aber auch sein Potential. Behutsam tasteten sich alle an ein besseres Miteinander heran, bildeten Patenschaften, halfen einander beim Lernen. Das hatte Folgen. Anne bekam bessere Zensuren, Michelle hatte nicht mehr so viel Stress mit den Eltern, Steven schaffte locker die mittlere Reife und in Willys allzu dicke Schulakte kam kein neuer Eintrag mehr. Das Patentrezept für den Wandel? Die Schwerinerin Jeannine Parlow hat darauf mehrere Antworten. Jeden Schüler beispielsweise so nehmen, wie er ist. Ihm nicht zeigen, was er nicht kann, sondern ihn stattdessen wertschätzen, die kleinen Fortschritte feiern. Mit aufmerksamen Worten, mit einer Urkunde für daheim. Jeannine Parlow hat ihre Prinzipien. „Eine Klasse ist wie eine Familie. Man hält zusammen“, sagt sie. Wenn es mal dick kommt, muss man gemeinsam nach Lösungen suchen, neue Ideen entwickeln. Wenn es mal ganz ganz dick kommt – das wissen alle in der Klasse –, gibt es bei ihr eine freie Matratze. Diese Haltung rechnen ihr die Schüler hoch an. „Sie ist die einzige Lehrerin, der wir uns anvertrauen können. Sie hört immer beide Parteien an, bevor sie etwas unternimmt“, schwärmt Jessica. „Es gab viele Elterngespräche. Sie hat oft zwischen den Eltern und uns Kindern geschlichtet“, sagt Angelina.
Friede, Freude, Eierkuchen also? Nicht ganz. Auch jetzt hat mal der eine oder andere einen schlechten Tag, gibt es das eine oder andere Problem. Doch Jeannine Parlow nimmt vieles nicht persönlich, versucht, die Dinge nicht überzubewerten. Und fordert ihre Schüler dennoch. Weggeworfene Kippen in einer Blumenrabatte? Da geht sie schon mal zur WGS und bietet die Mädchen und Jungs zum Saubermachen an. Authentisch ist sie auch deshalb, weil sie um eigene Fehler keinen Bogen macht. „Wenn ich etwas falsch gemacht habe, entschuldige ich mich“, erläutert sie. Hinzu kommt, dass sie einen interessanten Unterricht macht. Sagt Willy, der vom Lernen lange nichts wissen wollte. „Unterricht muss Partnerarbeit sein“, meint Jeannine Parlow. Eine gelangweilte Klasse, die nicht kommuniziert, die nichts von sich preisgibt, die macht ihr selbst keinen Spaß.
Heute scheint die Klasse wie verwandelt. Wenn Jeannine Parlow Manpower braucht, erklären sich immer zwei, drei Jungen zum Helfen bereit. Auf dem Lehrertisch steht ein kleiner Postkasten, in den die Schüler Zettelchen stecken. „Ohne sie ist alles doof“, steht darauf. Oder: Wie geht es Ihnen? Versteht sich, dass es auf jede Frage auch eine Antwort gibt. An der Wandzeitung hängt seit Anfang des Schuljahres ein großer Zettel mit den Namen aller Schülerinnen und Schüler. „Wir haben Sie lieb“, heißt es über einem großen Herz. Ihre Lehrerin hatte damals einen zu vollen Stundenplan; als Mutter mit zwei kleinen Kindern ging sie fast in die Knie. Da war die Liebeserklärung der Schüler Balsam auf  ihre Seele. Doch Jeannine Parlow denkt ähnlich: „Die Klasse ist echt grandios. Das sage ich oft.“ Gern würden sie gemeinsam noch mal auf Klassenfahrt gehen.
Vor gut einem Monat ist die Lehrerin an der Brecht-Schule als eine der Besten in Mecklenburg-Vorpommern ausgezeichnet worden.  Bildungsminister Brodkorb persönlich hielt die Laudatio. Jeannine Parlow ist stolz auf die Auszeichnung. Schließlich haben die Mädchen und Jungs ihrer Schule sie vorgeschlagen. Eine größere Ehre ist nicht denkbar. Selbstverständlich hat sie sich bei den Jugendlichen bedankt. Mit einer Pizza-Party. Wieder eine ihrer unkonventionellen Ideen.