18.09.2015

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Schulbank statt Sofa

Franziska Jeske hat auf der Abendschule Abitur gemacht – und ist heute Vorsitzende des Schulfördervereins
Glücksbringer: So einen Schulförderverein-Stoffbeutel hat Franziska Jeske stets mit dabei. Foto: Katja Haescher
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De Dampfmaschin’, Pfeiffer mit drei „f“ und jeder nur einen winzigen Schluck: In der „Feuerzangenbowle“ ist Heinz Rühmanns „Ein–Erwachsener-geht-noch-mal-zur-Schule-Auftritt“ ein einziger Klamauk. Im echten Leben geht es da schon ernsthafter zu: Ins Opens external link in new windowSchweriner Abendgymnasium kommen Schüler, die an ihren Arbeitstag noch zwei bis drei Doppelstunden Unterricht anhängen – und das von Montag bis Freitag.
Ziel sind das Abitur oder die Fachhochschulreife. „Wenn man das will, schafft man es auch“, sagt Franziska Jeske. Sie muss es wissen: Die 29-Jährige hat drei Jahre lang Sofa gegen Schulbank getauscht, 2011 ihr Abitur abgelegt und ist heute Vorsitzende des Vereins der Freunde des Schweriner Abendgymnasiums.
Es gibt viele Gründe, warum sich Menschen Jahre nach der Schulzeit entscheiden, das Abitur nachzuholen. „Manche wollen neu durchstarten, weil sie bei der ersten Berufswahl komplett in die falsche Richtung gegangen sind. Anderen gefällt ihr Job und sie merken irgendwann, dass sie das Abitur brauchen, um weiterzukommen“, sagt Franziska Jeske.

Sie selbst verließ die Schule mit der mittleren Reife und begann über das Innenministerium eine Ausbildung im mittleren Verwaltungsdienst. Im Arbeitsalltag angekommen, merkte sie schnell, dass sie mehr wollte und konnte. „In dieser Zeit war auch mein Selbstbewusstsein gewachsen und ich habe mir mehr zugetraut“, sagt die Schwerinerin. Weil das Abitur für dieses „Mehr“ Voraussetzung war, begann sie Angebote zu vergleichen.

„An der Abendschule hat mich anfangs die tägliche Unterrichtszeit von 17 bis 22 Uhr abgeschreckt“, sagt Franziska. Trotzdem sah sie in dieser Variante am Ende die meisten Vorteile. Erstens ist das Abendgymnasium als staatliche Schule kostenlos. Zweitens stärkt das Lernen in der Klasse den Durchhaltewillen. Und drittens ist es einfacher, mit Lehrern zu lernen, als Stapel von Unterlagen im Selbststudium durchzuackern.
„Die Entscheidung war für mich genau richtig“, sagt Franziska Jeske. „Ich war in einer tollen Klasse. Und es ist wirklich wichtig, dass, wenn jemand mal zwei Tage nicht da war, abends einer anruft und sagt: Wo warst Du denn? Bleib bloß dran!“

Ihr Tagesablauf veränderte sich in dieser Zeit erheblich: Morgens um kurz nach acht ins Ministerium zur Arbeit und von dort nach Feierabend auf direktem Weg ins Fridericianum, wo das Abendgymnasium seit 2008 untergebracht ist, zum Unterricht. Ein Teil des Wochenendes reserviert fürs Lernen und für Hausaufgaben. „Das erfordert natürlich viel Verständnis von den Freunden und vom Partner“, sagt die junge Beamtin. Und im Haushalt Mut zur Lücke: „Wenn Du am Sonntag Wäsche wäschst, hängt die eben am Freitag noch auf der Leine.“ Natürlich gab es auch bei Franziska Jeske mal Durchhänger – aber sie motivierte sich immer wieder mit dem Gedanken, wie viel sie schon geschafft hatte, anstatt zu lange darüber nachzudenken, was noch bevorstand. „Und natürlich haben wir jedes Zeugnis ausgiebig bejubelt“, sagt sie. Ob Karibik- oder Fußballparty, wir haben uns immer etwas ausgedacht, um uns dafür zu feiern, dass wir durchhalten.“

Die kritischste Phase fürs Aufgeben sei die Zeit nach den ersten Herbstferien. „Wer danach wiederkommt, bleibt meist auch dabei.“ Ferien haben die Abendgymnasiasten genauso wie die Schüler an staatlichen Schulen – und damit Wochen, in denen sie mal verschnaufen können. Auch die Lehrer unterstützen die Studierenden sehr und haben viel Verständnis für die besondere Lern-Situation.
Dass nach einer so intensiven Zeit eine enge Bindung zur Schule besteht, liegt auf der Hand. Nachdem Franziska Jeske das Abi in der Tasche hatte, verfolgte sie die Arbeit ihrer ehemaligen Schule weiter. 2013 gründete sie zusammen mit anderen Ehemaligen, Lehrern und Schülern den Schulförderverein und wurde dessen Vorsitzende.

Der Verein unterstützt und gestaltet Schulveranstaltungen und Kursreisen, macht unter dem Motto „Zum Abitur nach 17 Uhr“ Werbung für die Abendschule und sorgt, kurz gesagt, für alles, wofür die Schüler neben dem Unterricht keine Zeit haben. Der Zusammenschluss, der zurzeit 27 Mitglieder zählt, wird sich natürlich auch auf dem Schulfest am 2. Oktober präsentieren. Und eins möchte Franziska Jeske unbedingt loswerden: „Auch jetzt, drei Wochen nach Schuljahresbeginn, ist noch ein Einstieg in die 11. Klasse möglich.“

Sie selbst  hat von ihrer Zeit am Abendgymnasium sehr profitiert. Nicht nur, dass sie seit Oktober 2011 Studentin der Fernuniversität Hagen ist, wo sie – wieder berufsbegleitend – die Fächer Politikwissenschaft, Verwaltungswissenschaft und Soziologie belegt: „Auch im Beruf packe ich meine Aufgaben viel strukturierter an und habe keine Angst vor etwas Neuem.“
Die Zeit, ihr ehemaliges Gymnasium zu unterstützen, nimmt sich Franziska Jeske deshalb trotz vieler weiterer Ehrenämter gern – „weil das eine wichtige Sache ist“. Ihr nächstes Ziel ist der Bachelorabschluss, voraussichtlich im kommenden Jahr. Und dann, vielleicht gleich hinterher, der Master. Schließlich ist sie gerade so schön im Arbeitsfluss. K. Haescher