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„Ich mach kein waschi waschi“
„Da war letzte Woche großer Bahnhof um den jungen Mann. Jetzt könnte man die Ruhe nach dem Sturm mal nutzen, sich mit ihm zu verabreden.“ Der Vorschlag einer Kollegin für das aktuelle Porträt lässt mich aufhorchen. Geschwind durchkämme ich einen Beitrag aus der Tageszeitung. Da steht, dass Lars Kozian der jüngste selbstständige Friseurmeister in Schwerin und ganz Mecklenburg-Vorpommern ist. Tolle Sache. Außerdem ist er das jüngste Mitglied in der Friseur-Innung Schwerin und der Handwerkskammer Schwerin. Obendrein, wie soll es anders sein, war er beim Abschluss seiner Gesellenprüfung im Sommer 2013 der Beste seines Jahrgangs. Ich lese nicht weiter, sondern schaue mir das Bild an, auf dem ein junger Mann mit geschmackvoll gestylter Frisur an den blonden Haaren von Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow zupft. Aha, das war also das Foto-Shooting für die Presse.
Ich klingele gleich mal im Salon in der Puschkinstraße durch, viel Zeit zum Schreiben bleibt ja nicht mehr. „Hallo, hier ist Lars!“ Voll-
treffer! Ich verabrede mich mit dem Aufsteiger für den kommenden Tag. Und spaziere pünktlich in den Friseursalon, der gar nicht danach aussieht. „Ich bin hier der einzige Friseur“, klärt mich Lars (ich darf ihn duzen), schnell auf. Es gibt noch eine Kosmetikerin, eine Nagelvisagistin und zwei weitere Selbstständige, die sich zusammengetan haben. Lars hat sein Zimmer so frisiert, wie es ihm gefällt, mit reichlich Schwarz und Glimmerfarben. Wenig später sitze ich in einem herrlich bequemen, golden leuchtenden Sessel und lausche den Antworten, die Lars auf meine Fragen gibt. Er erzählt, dass er ein waschechter Schweriner sei. Seine Lieblingsfächer in der Schule waren Sozialkunde und Chemie. Auf die Frage, wann er denn Friseur werden wollte, kommt das, was ich gehofft habe: „Schon immer, schon als Kind“, sagt Lars. „Mit vier Jahre hab ich den Puppen von meinen Schwestern die Haare geschnitten.“ Und Puppen gab es reichlich, schließlich hatte der kleine Lars noch sieben ältere Geschwister. Doch sein Nest-
häkchendasein konnte er nicht lange genießen. Seine Mutter stirbt, als er gerade mal 14 Jahre alt ist. So lernt Lars, sein Leben früh selbst in die Hand zu nehmen. Auch jetzt, mit seinen 20 Jahren, wirkt er reifer, zielstrebiger und erwachsener als andere in seinem Alter. „Ich bin sehr ehrgeizig“, erklärt er, „wenn ich hundert Prozent etwas will, gebe ich Vollgas.“ So lässt sich auch verstehen, warum es ihn so früh auf die Meisterschule zog. Am 2. September 2013 legte er los, nachdem er gerade mal eine Woche Geselle war. Drei Monate kämpft er sich auf der Meisterschule in Oldenburg durch einen Intensivkurs und anschließend zehn harte Prüfungen. Kurz vor Weihnachten hielt er dann seinen Meisterbrief in der Hand. Anschließend hätte er wieder in seinem Ausbildungssalon in Schwerin anfangen können. Aber wozu habe ich Meister?, dachte er sich. Und dann kam das Angebot aus dem jetzigen „Laden“, der gerade eröffnet hatte. Ihm gefiel der Gedanke, losgelöst zu arbeiten. Außerdem nervte ihn, dass er ständig Kunden Produkte unterjubeln musste. Lars will das in seinem eigenen Salonstübchen nicht machen. Er möchte ehrlich beraten und sich vor allem Zeit nehmen. „Das fängt bei der richtigen Kopfwäsche an“, bemerkt er. „Ich mach kein waschi waschi. Die Kundin oder der Kunde liegt hier gemütlich im Schaffell. Das Schönste für mich ist, wenn sie zufrieden rausspazieren. Wenn sie ihre Frisur nicht nur gut, sondern wundervoll finden.“
Nach getaner Arbeit fährt Lars dann nach Hause auf den Dreesch. Er dreht eine große Runde mit seinen Hunden, einem Jack Russel und einem Dalmatiner, und lässt sich den Wind um die Nase wehen. Danach verbringt er Zeit mit Sebastian, mit dem er seit fast einem Jahr verheiratet ist. Sie kochen sich was Schönes und erzählen, was so los war am Tag. Und am nächsten Morgen stürzen sie sich wieder ins Berufsleben – oder besser: ins Hobby, denn für Lars ist es kein Beruf, sondern Leidenschaft. „Es war und ist mir total egal, wie viel ich in dieser Branche verdiene.“ Dennoch reiht er sich mit seinen Preisen im mittleren Segment ein.
Ganz bewusst. Von Niedriglöhnen für Frisure hält er nämlich nichts. „Ich denke, viele Kollegen verkaufen sich unter Wert. Dabei sind wir doch Handwerker. Was kriegt denn ein Klempner, wenn er nach Hause kommt?“ Aber halt! Bevor die Seite voll ist: Lars möchte sich unbedingt noch bei allen bedanken, die ihm beim Schritt in die Selbstständigkeit unter die Arme gegriffen haben.