17.07.2014

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Die Hauswand als Garten

In der Klosterstraße gedeihen Erdbeeren, Mohn und Frauenmantel im vertikalen Beet
Die Hausbesitzerin Daniela Steinigk betreibt im Erdgeschoss einen Blumenladen; dazu passt die Gestaltung der Hauswand perfekt. Viele Menschen bleiben vor dem innerstädtischen Gebäude stehen und staunen über die grüne und blühende Pracht.
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und mehr ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Heute in der Klosterstraße 17, wo eine grünende und blühende Hauswand für Erstaunen sorgt.

Blumenkästen unter dem Fenster kennt jeder. Aber dass sich an der Fassade gleich ein ganzer Garten unterbringen lässt, ist den meisten neu. Daniela und Christian Steinigk zeigen, wie es geht: An der Wand ihres Hauses in der Klosterstraße 17 rauschen Blätter im Wind, blüht roter Mohn und reifen Erdbeeren. Als das Ehepaar das Grundstück kaufte, ahnte es noch nicht, dass das geplante Haus einmal so viele Blicke auf sich ziehen würde. „Wir hatten eigentlich an ein Haus nach dem Vorbild des Vorgängerbaus gedacht. Da sich aber das Grundstück im Sanierungsgebiet befindet, wollte die Stadt einen Architektenwettbewerb ausschreiben“, erzählt Daniela Steinigk. Sie und ihr Mann stimmten zu und es kam alles anders. Drei Planer reichten Projekte ein und der Entwurf von Maxi Reithel gefiel den Bauherren auf Anhieb – vor allem die Idee mit der begrünten Hauswand. „Das hat gut zu unserem Konzept gepasst“, sagt Daniela Steinigk. Denn ins Erdgeschoss des neuen Hauses wollte sie selbst mit ihrem Blumenladen „Sonnenblume“ einziehen, den sie seit 20 Jahren in Schwerin betreibt.

Innerhalb eines Dreivierteljahres entstand das in Holzständerbauweise errichtete Gebäude, das neben dem Laden im Erdgeschoss eine Mietwohnung beherbergt, die sich über zwei Etagen erstreckt. Ein unter Bestandsschutz stehendes Haus daneben wurde komplett saniert, auch darin befindet sich eine Wohnung. Beide Gebäude sind mit einem gemeinsamen Eingangsbereich verbunden. Hinter dem versteckt sich ein kleiner Innenhof, auf den die großzügigen Dachterrassen hinausgehen. Während das alte Haus schlicht verputzt ist, erhielt das neue eine auffällige Verkleidung in Apfelgrün. „Wir haben erst gedacht, die Leute werden darüber schimpfen, aber das Gegenteil war der Fall“, sagt Daniela Steinigk. Sie freut sich, wenn Passanten das Haus bewundern, Fotos machen und viele Fragen haben. Klar, dass der vertikale Garten die Menschen am meisten interessiert. Eine Frage, die Besucher häufig stellen, ist die, ob der Regen zur Bewässerung ausreicht. „Die Antwort darauf lautet nein“, sagt Daniela Steinigk und erklärt die ausgeklügelte computergesteuerte Bewässerungsanlage in der Wand, die mit der großen Regenwasserzisterne im Innenhof verbunden ist. In einem Kreislauf wird alle zwei Stunden Wasser nach oben gepumpt, von dem der nicht benötigte Teil sofort wieder in die Zisterne abfließt. Auch Düngergaben werden so verteilt. „Das Hauptproblem ist nicht die Sonne, sondern der Wind, der die Pflanzen austrocknet“, erklärt Daniela Steinigk.

Bei der Bepflanzung der Wand hat sie sich für heimische Gewächse mit unterschiedlichen Blattstrukturen entschieden. „Ich möchte, dass die Betrachter einen Eindruck von Sommer und Winter bekommen“, sagt die Fachfrau und freut sich besonders, wenn Kinder der benachbarten Kita vor dem Haus stehenbleiben und dessen Pflanzenwelt betrachten. Sicher fragen sie sich dabei, warum Erdbeeren & Co. nicht herunterfallen. „Vor die Hauswand sind Roste gesetzt, die mit Vlies und Lavagestein gefüllt sind. Die Wurzeln sind in dieses Lavagestein gebettet, die Blätter schauen durch die Löcher der Metallgitterroste“, erklärt die Floristin das vertikale Beet. Die Pflanzen hat sie selbst gesetzt – Gärtnern mit Hilfe einer Hebebühne. Und bis auf die Gräser, die zu schnell austrockneten, haben alle den ersten Winter in der Wand gut überstanden. Hier bietet das Lavagestein einen zusätzlichen Pluspunkt: Es speichert Sonnenwärme und gibt sie an die Pflanzen ab.
Für Schwerin ist der „hängende Garten“ in dieser Größe etwas Einmaliges. Und auch in Städten, in denen lebende Fassaden häufiger vorkommen, sind diese trotzdem Blickfang – wie in Paris, London und Madrid, wo der Botaniker Patrick Blanc Gärten an Hauswänden pflanzt.

Daniela Steinigk freut sich jeden Tag aufs Neue über den ästhetischen Reiz des Hauses – und über die guten Arbeitsbedingungen im neuen Blumenladen mit viel Platz, einem begehbaren Kühlraum und dem kleinen Pausenhof. Dem Namen ihres Geschäfts hat sie jetzt noch etwas hinzugefügt: Es ist die „Sonnenblume im Grünen“.