18.01.2019

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Techno auf der Akustikgitarre

Timo Bautsch arbeitet am Konservatorium, spielt in diversen Duos und legt als DJ auf
Timo Bautsch (29) überlegt schon, was sein nächstes Projekt sein wird. Foto: Jürgen Hoffmann
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Melodien wecken Emotionen, Rhythmen regen zur Bewegung an. Aber letztlich besteht Musik aus harmonisch aufeinander abgestimmten Schwingungen, ist also in Töne transformierte Mathematik. Die Wissenschaft der Zahlen hat Opens external link in new windowTimo Bautsch von klein auf fasziniert. Und so studierte der gebürtige Berliner nach dem Abi drei Semester Mathematik. Wirtschaftsmathematik an der TU Berlin, um genau zu sein. Aber schon da wusste er eigentlich, dass seine Seele der Musik gehörte. Er übte und übte und übte, um sein Gitarrenspiel stetig zu verbessern. Bereits als Teenager war er so weit fortgeschritten, anderen Gitarren­unterricht geben zu können.

Warum er dann nicht direkt ein Musikstudium aufgenommen hat? „Mir war von vornherein klar, dass dies brotlose Kunst sein würde“, sagt Timo. Aber Brot hin, Brot her – er konnte letztlich nicht anders, als seiner Leidenschaft nachzugeben. Nach seiner studienvorbereitenden Ausbildung an der Gitarre, die er parallel zu den Ökonomievorlesungen absolvierte, wechselte er 2011 zur Hochschule für Musik und Theater Rostock, wo er 2015 mit dem Bachelor of Music abschloss.

In seinem Bachelor-Konzert bewies er bereits die Vielseitigkeit, die ihn auch heute noch auszeichnet. Er sagt: „Ich habe eine Stunde querbeet gespielt – von Jazz über Fingerstyle bis Indie-Rock.“ Als Bachelor besuchte er eine Reihe an Meisterkursen, unter anderem bei Thomas Fellow, Stefan Bormann und Joscho Stephan.

Inzwischen wohnte er wieder in Berlin. Die erahnte Brotlosigkeit hatte sich bestätigt. Seine Zweiraumwohnung finanzierte der Musiker, indem er über Airbnb ein Zimmer vermietete. Um Geld zu verdienen, zog es ihn jedoch in die Wirtschaft. Er landete in Nürnberg bei Meinl Distribution, wo er als Brand Marketing Specialist für die Marke Ortega Guitars zuständig war. Er akquirierte Künstler, fuhr zu Messen, drehte Musik­videos – insgesamt eine turbulente Zeit, die von Herbst 2016 bis Herbst 2017 dauerte.

Anschließend bereiste er erstmal zusammen mit seiner Freundin Kolumbien, wo sie den Dschungel der Großstadt mit den vielen Reggaeton-Clubs genauso kennenlernten wie den echten Urwald.
Seit einem knappen Jahr verdient Timo Bautsch sein Brot nun doch mit der Musik, denn im März 2018 übernahm er am Schweriner Konservatorium den Fachbereich „Saiteninstrumente, Bläser und Weltmusik.“ Ein bisschen Büroarbeit gehöre dazu, hauptsächlich aber gebe er Gitarrenunterricht.

In seiner freien Zeit geht er manchmal surfen, aber vor allem dreht es sich auch hier um die Gitarre. Fünf Projekte betreibt der 29-Jährige derzeit. „Eines meiner wichtigsten ist das Enyp Guitar-Duo“, sagt er. „Oliver Heinze und ich machen Techno-Musik auf Akustikgitarren. Wir haben gemerkt, dass der Sound beim Publikum gut ankommt, und uns macht es auch mehr Spaß, schnell und rhythmisch zu spielen als ruhig und kunstvoll.“

Techno habe er viele Jahre ignoriert. „Ich konnte damit nichts anfangen, weil Musik für mich immer handgemacht sein muss“, sagt Timo. Auf die elektronische Musik habe ihn dann sein Kommilitone Marten Pankow gebracht, der selbst Techno produziert. Der Akustikgitarrist erkannte: „Dieses Genre hat viel Tiefe und Geschichte. Und man benötigt eine Menge Know-how, um Stücke zu schreiben.“ Inzwischen legt er sogar unter dem Pseudonym DJ Tim Sterling Techno auf, dies aber vor allem auf privaten Partys.
Mit dem Enyp Guitar-Duo reist er im Sommer durch Belgien (das Land, in dem seine Freundin lebt und arbeitet). Motto der Tour: „Fuck Art, Let‘s Dance!“

Genauso am Herzen liegt ihm das Duo, in dem er zusammen mit Tatiana Grunemann musiziert (live zu erleben beim KON-Takte-Konzert am 1. März im Konservatorium). Gypsy-Swing spielt er mit dem Salty Swing Syndicate; Popmusik hat das Duo Feríne im Repertoire. Jetzt baut der umtriebige Musiker auch noch eine Akustik-Funk-Band auf.

An der Wand in Timos Raum im Konservatorium hängen Fotos von Leuten, die ihn künstlerisch beeinflusst haben. Der Jazz-Komiker Helge Schneider ist genauso dabei wie der Bassist Avishai Cohen, der Songwriter Xavier Rudd und der Techno-DJ Boris Brejcha. Fehlt noch ein Mathematiker. S. Krieg

(Termin: Das Enyp Guitar-Duo spielt am 26. Januar ab 19.30 Uhr im Café auf dem Hof Medewege.)