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„Anders sein und Erfolg haben“
Vermessung wollte sie nach der Schule lernen oder Malerin und Dekoriererin für Glas und Keramik. Viel unterwegs und kreativ sein – das waren die Mädchenträume von Carola Kühn. „Ich habe damals auch schon viel gelesen, auf dem Weg von der Bibliothek nach Hause hatte ich das gerade ausgeliehene Buch immer schon halb durch“, sagt sie lachend. „Aber Buchhändlerin zu werden, kam mir nicht in den Sinn. Wenn man sein Hobby zum Beruf macht, womit beschäftigt man sich dann noch in der Freizeit?“, fragt sie.
Da es jedoch in der DDR an Internatsplätzen sowohl für die eine als auch für die andere Wunsch-Lehre mangelte, stand sie nicht vor der Wahl Vermessung oder Keramik, sondern sie wurde am Ende gefragt: Sekretariat oder Buchladen? Die Entscheidung fiel ihr leicht, und sie begann nun doch eine Lehre in einer Buchhandlung ihrer damaligen Heimatstadt Bernburg. Bis zur Wende blieb sie dort, absolvierte von 1984 bis 1988 sogar ein Fernstudium an der Fachschule für Bibliothekare und Buchhändler in Leipzig. (Das sollte übrigens nicht ihr einziges Fernstudium bleiben: Von 1991 bis 1995 studierte sie nebenbei Grafik und Design. „Das war so die Schiene des Kreativseins, auf der ich auch weiter fahren wollte“, sagt sie.)
Carola Kühn fühlte sich wohl in Sachsen-Anhalt, unter anderem, weil die Berge nicht weit weg sind. Mit dem flachen Land konnte sie wenig anfangen. An der Küste wohnen? Auf keinen Fall! So dachte sie damals – noch kurz bevor sie Anfang der neunziger Jahre nach Wismar umzog. Aber was tut man nicht alles der Liebe wegen. Ihr damaliger Mann stammt nämlich aus dem hohen Norden.
Nach dem Intermezzo in der Hansestadt wechselte sie in eine kleine Buchhandlung in Bad Oldesloe. Klein, aber sehr fortschrittlich. „Ich habe dort mein Handwerk noch einmal von vorn gelernt“, erinnert sie sich. „Die haben die Gestaltung des Ladens an das Publikum angepasst und bereits in den frühen Neunzigern ihre Warenwirtschaft über den PC organisiert, während fast alle anderen Buchhandlungen noch mit Katalogen arbeiteten.“ Gerade was das Design des Geschäfts betraf, spielte Kreativität dort eine große Rolle. Bücher einfach nur im Regal oder auf dem Tisch zu platzieren, ist ohnehin nicht die Sache von Carola Kühn. Sie wolle eine kleine Geschichte um die Bücher drumherum erzählen, sagt sie. Und Schaufenster dekorieren – das macht sie heute noch gern.
Im Jahr 1995 leitete sie erstmals eine Filiale der Kette Montanus aktuell (aus der später Phoenix und jetzt Thalia wurde). Das war in Magdeburg. Als nächste Station folgte 1996 Jena. Danach der nächste große Schritt. „Nach meiner Scheidung wollte ich mich neu orientieren. Als 1998 das Angebot kam, nach Schwerin zu gehen, um hier die Phoenix-Filiale im Schlosspark-Center zu eröffnen, griff ich zu“, sagt sie. Seit mehr als zwanzig Jahren leitet die 56-Jährige nun die Buchhandlung im Center.
Ihr Credo, das Hobby nicht zum Beruf zu machen, lebt sie weiterhin. Klar liest sie weiterhin sehr gern, vor allem Krimis. Aber noch lieber ist sie mit ihrer Fotokamera unterwegs.
Über die Anfänge ihrer Leidenschaft sagt sie: „Zu DDR-Zeiten und kurz danach habe ich mich vor allem mit Familienfotografie beschäftigt, ich hatte sogar eine eigene Dunkelkammer. Der dokumentarische Aspekt stand dabei im Vordergrund. Inzwischen ist der künstlerische Blick hinzugekommen.“ Einen zusätzlichen Anschub in dieser Hinsicht brachte Bernd Kühn, Profifotograf, ihr Partner seit zwanzig Jahren und Ehemann seit Januar dieses Jahres. Immer wieder habe sie ihn als Assistentin zu Terminen begleitet. „Oft habe ich ihn ein bisschen kritisiert“, sagt sie und lacht. „Ich meinte dann immer, das hätte ich jetzt aber nicht auf diese Weise gemacht, sondern zum Beispiel eine andere Perspektive gewählt. Eigentlich ist das heute noch so. Aber meist kommen wir am Ende zu einem Konsens.“
Besonders spannend finde sie es, Menschen zu fotografieren, auch wenn sie das gar nicht so oft mache. Motive kommen ihr ganz unterschiedliche vor die Linse, vor allem bei den Reisen zusammen mit ihrem Mann durch ganz Deutschland. Regelmäßig nehmen die beiden auch an den Seminaren im
Rahmen des jährlichen Umweltfotofestivals „horizonte zingst“ teil.
Ein bisschen ließ Carola Kühn ihr Hobby aber doch in den Job einfließen: Zusammen mit Auszubildenden fotografierte sie vor zwei Jahren „Bookfaces“. Bei den „Buchgesichtern“ verschmelzen Buchcover und Personen optisch zu einer Einheit. Die Lehrlinge seien begeistert mit vielen eigenen Ideen dabeigewesen, erinnert sie sich. Generell sei es im Buchhandel wichtig, über den Tellerrand zu schauen, den Buchverkauf nicht aus dem Blickwinkel der Leseratte zu betrachten. Diese Herangehensweise vermittle sie immer den Azubis.
Vielleicht bringt sie ihnen dann auch bei, wie sie sich nicht die benötigte Energie rauben lassen. „Energievampire mag ich gar nicht“, sagt Kühn. „Das können genauso Menschen sein, die sich dauernd beklagen, wie sinnlose Tätigkeiten.“
Aber ihr Team bei Thalia bringe ihr immer wieder Energie zurück. „Auf meine Mitarbeiter bin ich wirklich stolz“, lobt Carola Kühn. „Die geben mir stets das Gefühl, dass wir alles wuppen.“ Gerade bei den zahlreichen Veranstaltungen in der Buchhandlung könne sie sich auf ihre Leute verlassen, sagt sie.
Und hier dürfe sie dann auch wieder ihre Kreativität ausleben. „Klassische Wasserglas-Lesungen machen wir wenig“, betont sie. Lieber lade sie Gäste zu Thalia ein, die unterhalten können, die was zu erzählen haben. Auch das passt zu ihrer Lebenseinstellung. „Mein Slogan ist, anders zu sein und damit Erfolg zu haben“, fasst Carola Kühn zusammen. S. Krieg